Wien - "Dass die EZB eine Zinsanhebung plant, lässt sich aus ihrem jüngsten Monatsbericht herauslesen, in dem Inflationsgefahren explizit angesprochen werden", erklärt CA-Chefökonom Josef Christl. Darin komme auch eine schrittweise Anpassung der ursprünglichen geldpolitischen Strategie der EZB zum Ausdruck.

Diese beruht auf zwei Säulen: dem Geldmengenwachstum, für das ein Referenzwert von 4,5 Prozent festgelegt wurde, und der Abschätzung der Preisentwicklung aufgrund eines ganzen Indikatorenbündels. Die daraus abgeleiteten Zinsentscheidungen seien aber kaum nachvollziehbar gewesen und hätten daher auch keine klaren Signale an die Kapitalmärkte ausgesandt, kritisiert Christl. Der Referenzwert der Geldmenge etwa sei praktisch immer überschritten worden, ohne dass die EZB darauf erkennbar reagiert hätte. Und die Interpretation der Preisindikatoren blieb undurchschaubar.

Am deutlichsten wurde dies beim Wechselkurs: Zunächst wurde er von der EZB negiert, später musste sie ihn als Inflationsindikator ernst nehmen, weil über den nied- rigen Kurs Preisauftrieb importiert wurde.

Damit näherte sich die EZB implizit einer an klaren Inflationszielen orientierten geldpolitischen Strategie an, wie sie etwa in Großbritannien angewandt wird. Dabei reagiert die Notenbank auf Abweichungen prognostizierter Inflationsentwicklung von einer definierten Bandbreite. Die Entscheidungen der Notenbanken würden dadurch berechenbarer, diese in ihrer Flexibilität aber eingeschränkt.

Dass EZB-Präsident Wim Duisenberg angekündigt hat, ab Jahresende 2000 regelmäßig Wachstums- und Inflationsprognosen zu veröffentlichen, beweise, dass die EZB in die Richtung einer stärkeren Regelgebundenheit tendiere, meint Christl. (jost, DER STANDARD, Print Ausgabe, 31.8.2000)