Wenn man es nicht mit dem Nahostkonflikt zu tun hätte, dessen Weg von ungenützten Chancen gepflastert ist, könnte man leise auf einen positiven Nebeneffekt der derzeitigen Gaza-Krise hoffen: nämlich dass die zerkriegten Palästinenserfraktionen Fatah und Hamas wieder miteinander zu reden beginnen. Diese Hoffnung sollte man auch dann hegen, wenn einem der palästinensische Familienfriede im Prinzip egal ist. Denn alles Gerede um Annapolis und eine israelisch-palästinensische Endstatus-Vereinbarung bleibt hohl, solange es kein Konzept dafür gibt, wie man den Gazastreifen mitnimmt.

Dass die Palästinensergruppen wieder den Dialog aufnehmen, erschiene logisch, weil beide künftig die Verantwortung für den Grenzübergang Rafah zu Ägypten übernehmen wollen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bleibt jedoch dabei, dass die Hamas vor gemeinsamen Gesprächen den „Putsch“ im Gazastreifen zurücknehmen muss. Wenn es dabei bleibt, ist das eine verpasste Gelegenheit, siehe oben.

Reden müssen sie aber alle mit Ägypten, das zwar in den letzten Jahren die Rolle des großen Vermittlers eingebüßt hat, ohne das es jedoch nun einmal nicht geht. Das wird in Kairo, bei aller Besorgnis über das Chaos, mit einer gewissen Genugtuung gesehen – dort präsentiert sich die ungehinderte palästinensische Massenwanderung über die Grenze ja nicht als Folge einer ägyptischen Unfähigkeit, sondern der Brüderlichkeit.

„Wir könnten, wenn wir wollten“ – dies ist jedoch ein anderes Bild, als man Israel zu vermitteln pflegt, wenn von dort Vorwürfe kommen, Ägypten mache nicht genug, um die Grenze dicht zu halten. Tatsächlich sieht der israelisch-ägyptische Friedensvertrag starke Einschränkungen für Stärke und Bewaffnung der Ägypter auf dem Sinai vor. Israel stimmt einer Änderung nicht zu – und muss deshalb weiter mit dem Zweifel über Ägyptens Nichtwollen oder Nichtkönnen leben. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2008)