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Angst war evolutionsgeschichtlich zum Überleben des Menschen wichtig, in gesteigertem Ausmaß wird sie zur Krankheit.

Foto: REUTERS/David Gray
Jeder Mensch kennt Angst, sei es vor Dunkelheit, Krankheit oder in Prüfungssituationen. Im Grunde ist Angst auch nichts Schlechtes: Sie schützt vor Leichtfertigkeit, kann zu Höchstleistungen anspornen.

Wenn der Instinkt krankhaft wird

Wenn Angstgefühle aber zu bestimmenden Faktoren des täglichen Lebens werden, verkehrt sich ein Instinkt ins Krankhafte. "Wenn jemand ständig von Ängsten geplagt wird und diese - objektiv gesehen - völlig unangemessen sind, handelt es sich vermutlich um eine pathologische Angststörung", sagt Hans-Peter Kapfhammer, Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Psychiatrie. Nicht selten richten die Betroffenen das Leben nach ihren Ängsten aus, ziehen sich zurück, leben isoliert.

Generelle Angststörung

Es gibt unterschiedliche Angststörungen. Menschen mit generalisierten Angststörungen (früher: allgemeine Angstneurose) werden von unkontrollierbaren Sorgen gequält. Dabei klagen Betroffene über körperliche Begleitsymptome - Zittern, Herzrasen oder Magen-Darm-Beschwerden.

Ängste der Phobiker

Die Ängste von Phobikern dagegen sind klar an bestimmte Objekte oder Situationen gebunden (siehe Wissen). So bekommt der Sozialphobiker Schweißausbrüche, wenn er auf eine Firmenfeier gehen muss, einem Menschen der an Arachnophobie leidet, stockt schon beim Gedanken an eine Spinne der Atem. Viele Menschen empfinden Ekel oder eine Aversion gegen Spinnen oder Schlangen. "Doch bei weitem nicht jeder, der beim Anblick eines solchen Tieres eine Gänsehaut bekommt, leidet an einer Phobie", erklärt Kapfhammer.

Evolutionstechnisches Überbleibsel

Arachnophobiker suchen zum Beispiel ihr Haus mehrmals am Tag nach Spinnen ab. Interessant dabei ist, dass Menschen eher eine Phobie vor Schlangen, Spinnen oder wilden Tieren entwickeln als etwa vor Steckdosen oder Autos. "Man vermutet, dass es sich dabei um ein evolutionstechnisches Überbleibsel handelt", erklärt Kapfhammer. Schließlich waren solche Ängste für Höhlenmenschen durchaus sinnvoll.

Ursachen von Phobien

Warum sich diese Ur-Abneigung bei manchen Menschen aber schließlich als Phobie manifestiert, ist nicht ganz geklärt. Lange vermutete man, dass traumatische Erlebnisse mit dem angstbesetzten Objekt die Phobie auslösen. "Aus Studien wissen wir aber inzwischen, dass Menschen, die an einer bestimmten Phobie leiden, nicht öfter ein traumatisches Erlebnis hatten als die Kontrollgruppe", sagt Kapfhammer.

Zusammenspiel mehrer Faktoren

Heute wird für Angststörungen - wie für fast alle psychischen Erkrankungen - ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren angenommen. Eine Rolle spielen sicher biochemische Störungen im Gehirn, auch genetische Voraussetzungen begünstigen die Entwicklung von Angsterkrankungen, daneben werden schlimme Erlebnisse in der Kindheit als Ursachen vermutet.

"Aber auch eine ständige Überbehütung durch das Elternhaus kann zu Angststörungen führen", erklärt der Psychiater. Denn diesen Kindern fehlt oft die Erfahrung, dass ängstigende Situationen bewältigt werden können.

Gut behandelbar

Angststörungen sind heute relativ gut behandelbar. Als besonders wirksam gilt die kognitive Verhaltenstherapie. Das Verhalten des Betroffenen in Angstsituationen, seine Gedanken sowie die körperlichen Reaktionen werden genau analysiert. Ziel ist das Verständnis des Angstmechanismus sowie das Erlernen alternativer Handlungsweisen.

Direkte Konfrontation Kernstück der Behandlung ist das sogenannte Expositionstraining: Der Phobiker setzt sich so lange der angsteinflößenden Situation aus, bis er lernt, dass seine Befürchtungen ("Ich überlebe das nicht") nicht eintreten. Während das bei der Angst vor weiten Plätzen oder Höheziemlich radikal gemacht wird - der Therapeut besteigt mit dem Patienten einen hohen Turm - geht man bei Tierphobien etwas behutsamer vor. Schrittweise nähert man sich dem Angstobjekt, zunächst erst einmal nur über Bilder.

Mit Medikamenten zurückhaltend

Wenn die Belastung durch die Erkrankung sehr groß ist, kann auch eine medikamentöse Behandlung notwendig sein. "Prinzipiell ist man aber bei Angststörungen mit Medikamenten zurückhaltend, weil der Lerneffekt dadurch verlorengeht", erklärt Kapfhammer. Meist werden selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt, die auch bei Depressionen wirken.

Tranquilizer in Akutsituationen

Tranquilizer wie Benzodiazepine werden eher in Akutsituationen eingesetzt, für die Langzeittherapie sind sie aufgrund der Nebenwirkungen und der Abhängigkeitsgefahr nicht geeignet. (Sabina Auckenthaler; STANDARD, Printausgabe, 28.01.2008)