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Der legendäre Präsident John F. Kennedy hat in den USA noch heute viele Fans.

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Dem Demokraten Barack Obama wird bereits ein ähnliches Charisma nachgesagt.

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Zur Person

Michael Kazin lehrt Geschichte an der Georgetown University und erforscht Sozialgeschichte der USAdes 19. und 20. Jahrhunderts.

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Regierungserfahrung muss im Präsidentschaftswahlkampf nicht immer ein Vorteil sein, sagte der US-Historiker Michael Kazin zu Frank Herrmann. Der Vergleich zwischen Barack Obama und John F. Kennedy entspringe der Legende um JFK.

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STANDARD: Die Demokraten werden entweder die erste Frau oder den ersten Afroamerikaner für die Präsidentschaftswahl nominieren. Wie markant ist die historische Zäsur?

Kazin: Ein Präsident Obama wäre ein größerer Durchbruch, als es eine Präsidentin Clinton wäre. Er hat es aus eigener Kraft geschafft, sie dagegen zehrt von ihrem Bekanntheitsgrad als frühere Präsidentengattin. Außerdem hat die Frage der Rasse eine Symbolik, wie sie die Frage des Geschlechts niemals hatte. Beim wichtigsten Ereignis unserer Geschichte, dem Bürgerkrieg, ging es nur um die Rasse. An Bürgerkriege zwischen Frauen und Männern kann ich mich dagegen nicht erinnern. Im Ernst, wir Amerikaner haben uns an Frauen in hohen Ämtern gewöhnt. Aber noch nie hat jemand mit dem ethnischen Hintergrund Obamas ein großes westliches Land regiert.

STANDARD: Obamas Hautfarbe scheint kaum noch eine Rolle zu spielen.

Kazin: Ich glaube, seine Hautfarbe spielt schon noch eine Rolle. Ältere Amerikaner denken über Rassenbeziehungen immer noch in den Kategorien Weiß oder Schwarz. Viele Amerikaner unter vierzig mögen gerade die Tatsache, dass Obama weder schwarz noch weiß ist. Damit repräsentiert er die neue demografische Wirklichkeit.

STANDARD: John F. Kennedys Tochter Caroline und sein Bruder Edward haben Obama zum Erben von JFK erklärt. Ist er der neue Kennedy?

Kazin: Ich hoffe. Aber bleiben wir auf dem Teppich. Zwischen der Legende Kennedy und dem, was Kennedy wirklich erreichte, klafft eine beträchtliche Lücke. Wir reden hier vom Mythos Kennedy. Amerikaner lieben Politiker, die ihnen helfen, bessere Menschen zu sein, die Welt zu verbessern. Kennedys konkrete Ergebnisse sieht man durchaus nüchtern. Er brachte uns nicht heraus aus Vietnam, hatte die Kubakrise am Hals. Nur in den deutschen Angelegenheiten – „Ich bin ein Berliner“ – hatte er etwas von einem Propheten.

STANDARD: Was interpretieren Sie alles hinein in den Mythos Kennedy?

Kazin: Nach der Mythologie ging mit dem Mord an Kennedy ein goldenes Zeitalter zu Ende. Die Phase nach dem Krieg bedeutete einen enormen Satz nach vorn. Also identifizieren die Menschen, manchmal unbewusst, mit dem Namen Kennedy eine bessere Zeit. Außerdem hatte er Stil, eine schöne Frau, kleine Kinder, genau wie Obama. Er war Katholik, kam aus einer religiösen Minderheit, besiegte die Zweifel, ob ein katholischer Ire überhaupt wählbar ist. Ein Pionier, wie Obama.

STANDARD: Amerika geht durch wirtschaftlich schwierige Zeiten, Obama hat wenig Erfahrung.

Kazin: Amerikaner haben gern das Gefühl, dass sie die Regierung nicht brauchen. Worauf es ankommt, ist das Business, das Militär, nicht Leute, von denen es heißt, sie belügen einander und stapeln ansonsten Papier. Deshalb muss Regierungserfahrung kein Vorteil sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2008)