Wien - "Ich vermisse soziales Augenmaß und Behutsamkeit", sagt Wiens Caritas-Präsident Michael Landau im Standard-Gespräch. Deswegen tritt er für eine "Entschleunigung" der Spardebatte ein. Denn Landau befürchtet durch die neuen Budgetpläne ähnliche Auswirkungen wie bei den letzten beiden Sparpaketen: Damals sei die Zahl der KlientInnen bei den Caritas-Sozialstellen um 20 Prozent emporgeschnellt. Dazu zählen vor allem einkommensschwache, kinderreiche Familien, Alleinerzieherinnen und Langzeitarbeitslose. Künftig wolle man offenbar vor allem wieder den Armen Geld wegnehmen, während sich gleichzeitig die Vermögensbesteuerung in Österreich unter dem EU-Niveau befinde. Landau fordert eine echte Strukturreform. Darin müssten soziale Mindeststandards - beispielsweise ein Arbeitslosengeld in existenzsichernder Höhe - enthalten sein. Nulldefizit allein sei ein Buchhaltungs-, aber kein gesellschaftspolitisches Ziel. Die Budgetdebatte sei den ganzen Sommer lang "unprofessionell und chaotisch" gelaufen. Er erwarte daher für den heutigen Budgetgipfel lediglich "heiße Luft, prächtig verpackt", sagt Landau. Schenk: "Keine einzige Maßnahme zur Armutsbekämpfung" Ähnlich kritisch äußert sich Sozialexperte Martin Schenk von der "Armutskonferenz", einem Netzwerk von verschiedenen Sozialvereinen, zu den Budgetplänen der Regierung. "Es ist nach wie vor keine einzige Maßnahme zur Armutsbekämpfung enthalten." Dringend notwendig wäre etwa die Vereinheitlichung der neun Sozialhilfegesetze der Länder. Soziale Treffsicherheit müsse vor allem die Lebenssituation der unteren Einkommensschichten verbessern, fordert Schenk. Auch er wünscht sich "existenzsichernde Maßnahmen". Die Oppositionsparteien werden am zweiten Budgetgipfel, der am Freitag statt findet, teilnehmen. Mit stark eingeschränkten Erwartungen. SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer glaubt nicht, dass eine sozial gerechte Budgetkonsolidierung ohne einnahmenseitige Maßnahmen möglich ist. Er will Privatstiftungen stärker besteuern und Agrarförderungen sozial staffeln - und das auch bei der Sondersitzung des Nationalrates am Dienstag vorschlagen. Das werde zur "Wahrheitsprobe für die FPÖ", bei der sich "zeigen wird, ob ihre Versprechungen etwas wert sind", so Gusenbauer. Der SP-Chef sprach sich für einen "Stopp der Geldgeschenke und gegen sinnlose Mehrausgaben, etwa neue Abfangjäger oder die geplante Lohnnebenkostensenkung" aus. Gusenbauer will auch, dass ein "Zukunftsfonds", gespeist aus Mitteln der UMTS-Lizenzversteigerung, für die Forschungsförderung eingerichtet und die Lkw-Maut eingeführt werden solle. Die Grünen hegen "reduzierte Erwartungen" bezüglich des Reformdialogs. Denkmöglich ist für sie die höhere Besteuerung des 15. Monatsgehalts, ohne das 13. und 14. anzutasten. (mon/nim) (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 01.09.2000)