Boris Tadic ist am Sonntag wieder zum Präsidenten Serbiens gewählt worden. Mit 50,5 Prozent besiegte der prowestliche Staatschef den Nationalisten Tomislav Nikolic, der 47,7 Prozent erreichte. Serbiens Weg in die EU ist damit offen.
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Blechmusik, Siegespartys in bekannten Belgrader Diskotheken, hupende Autokolonnen mit Fahnen der „Demokratischen Partei“ (DS), ein Feuerwerk. Tausende Menschen jubeln Boris Tadic zu, als er triumphierend auf der Terrasse des Büros der DS erscheint: „Die Idee eines demokratischen, europäischen Serbiens hat gesiegt“, sagt der wiedergewählte Präsident gutgelaunt. „Sieg, Sieg“, schreit die Menschenmasse zurück. Tadics Anhänger feierten Sonntagnacht den „historischen“ Erfolg bis in die frühen Morgenstunden.
Am Montag kam die Ernüchterung. Der Sieg war knapp. Viel zu knapp, meinen viele Analytiker. Etwa die Anzahl der Zuschauer eines vollen Fußballstadiums trennte Tadic und seine proeuropäische Politik von der Niederlage. Über 2,1 Millionen Menschen stimmten für den Führer der Radikalen, Tomislav Nikolic. Und das obwohl er über ein Jahrzehnt als Symbol für die Kriege, die Verwüstung, die Massenmorde und ethnische Säuberung im ehemaligen Jugoslawien stand. Nikolic glorifizierte mutmaßliche Kriegsverbrecher als serbische Helden, bestritt die von Serben begangenen Kriegsverbrechen, ging als Freiwilliger für das Serbentum in den Kampf und kündigte die Rückeroberung „serbischer Territorien“ in Kroatien an.
Sozialistische Parolen
In der jüngsten Wahlkampagne setzte er die Akzente aber anders: Er sprach die verarmten, arbeitslosen, unzufriedenen Menschen an. Und redete nicht vom Krieg, sondern von sozialer Gerechtigkeit, vom besseren Leben. Er ging mit sozialistischen Parolen in die Kampagne und würzte sie geschickt mit dem Beigeschmack des Nationalismus, für den er bekannt ist. Auf dem unterentwickelten Land lag Nikolic deutlich vor Tadic.
Der Präsident konnte sich in Großstädten behaupten, in denen der Fortschritt nach der Wende in Serbien vor fast acht Jahren doch sichtbar ist. Die Bürger Serbiens sind auf zwei fast gleich große Blöcke aufgeteilt: Die Verlierer des Übergangs, die in trügerischer nationaler Größe den eigenen Stolz wiederfinden. Und die Menschen mit Hochschulbildung, die einen Job haben, über Fachkenntnisse verfügen und die in einer Mitgliedschaft in der EU ihre Chance für ein besseres Leben sehen.
Schon in der Wahlnacht zeigte Tadic, dass er die Botschaft der Wähler verstanden hat und die Kraft der Radikalen keineswegs unterschätzt. Er gratulierte Nikolic zum hervorragenden Ergebnis und versprach, alle „Potenziale der Gesellschaft“ zu vereinigen. Nikolic gratulierte gleich nach den ersten Hochrechnungen als Erster Tadic zum Sieg. Diese korrekte Haltung der Rivalen entschärfte die angespannte Stimmung. Serbien stehen schon im Mai Kommunalwahlen bevor, vorgezogene Parlamentswahlen liegen in der Luft.
EU beobachtet Regierung
Die EU-Kommission zeigte sich so wie die meisten Mitgliedstaaten erleichtert über den Ausgang der Wahl. Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem „Sieg für die Demokratie in Serbien und für die gemeinsamen europäischen Werte“. Die EU werde nun den Annäherungsprozess Serbiens an die EU beschleunigen.
Ob sich die in den vergangenen Wochen und Monaten wegen der Kosovo-Frage deutlich abgekühlten Beziehungen zwischen Brüssel und Belgrad wieder bessern, hängt vor allem von der serbischen Regierung und Premier Vojislav Koštunica ab. Dieser hat mit seinen Drohungen, das Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU nicht zu ratifizieren, falls die EU eine Zivilmission in den (dann unabhängigen) Kosovo entsendet, große Verärgerung ausgelöst. Vor allem in Deutschland sieht man den Verkauf des staatlichen Ölmonopolbetriebs an die russische Gasprom und andere Beteiligungen russischer Unternehmen als „unfreundlichen“ Akt. Deutschland hat deswegen beim letzten Außenministertreffen der EU in Brüssel „eine loyalere“ Zusammenarbeit Serbiens mit der EU gefordert.
„Es wird sich jetzt zeigen, ob sich Koštunica mit dem Verlust des Kosovo abfindet, die Wahlkampf-Rhetorik ablegt und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückfindet. Dann stehen Serbien alle Türen offen. Bleibt er bei seiner harten Haltung, wird es sehr, sehr schwierig,“ sagte ein hoher Diplomat in Brüssel.
Sehr enger Zeitplan
Bis zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo werde nicht mehr viel Zeit vergehen, davon geht auch die EU-Kommission aus. „Man muss jetzt Fakten schaffen, die Zeit für Diskussionen ist zu Ende,“ meint man in Kommissionskreisen. Am Donnerstag, den 7. Februar, wird die EU ein Zwischenabkommen mit Serbien unterzeichnen, das vor allem wirtschaftliche Schwerpunkte setzt und offene Visafragen löst. Das Zwischenabkommen soll vor allem „ein Zeichen“ setzen, da das eigentlich geplante SAA-Abkommen von den Niederlanden, Belgien und Deutschland blockiert wird, bis eine „zufriedenstellende“ Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gegeben sei.
Bereits am 17. Februar könnte die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo folgen, am Tag darauf findet ein EU-Außenministertreffen statt, bei dem dann bereits die Anerkennung des neuen Staates Thema sein könnte. Der Kosovo würde diesen Plänen zufolge die EU einladen, die bereits geplante, 1800 Experten umfassende Zivilmission zur Unterstützung von Polizei, Justiz und Finanzverwaltung zu entsenden. (Andrej Ivanji aus Belgrad/Michael Moravec aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 5.2.2008)