Auch wenn seine Kette kräftig expandiert, sieht Thalia-Chef Josef Pretzl für Spezialisten genug Platz am heimischen Buchmarkt.

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Thalia treibt die Filialisierung im Buchhandel voran. Warum die Buchpreisbindung Vielfalt bringt und was er von längeren Öffnungszeiten hält, erzählte Josef Pretzl, Chef der Buchkette, Verena Kainrath.

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STANDARD: Wünschen Sie sich einen neuen Harry-Potter-Band?

Pretzl: Natürlich wünschen wir uns mehr Harry Potters. Die Buchbranche braucht Zugpferde, wir stehen ja im starken Wettbewerb zu anderen Konsumbranchen.

STANDARD: Der Buchmarkt gehört seit Jahren zu den Verlierern im Handel. 2007 soll es wieder Einbußen von bis zu drei Prozent gegeben haben.

Pretzl: Bücher sind nach wie vor die beliebtesten Geschenke. Es wurde jedoch viel zu wenig für sie getan. Man muss ihnen die gleiche Plattform geben wie anderen Konsumgütern – das heißt gute Standorte, große Flächen, Erlebniswelten und Inszenierung.

STANDARD: Thalia hat den Umsatz in Österreich 2006/07 um 21 Prozent auf 108 Millionen Euro erhöht. Wem nehmen Sie Geschäft weg?

Pretzl: Wir haben einen neuen Markt generiert. Wir wollen, dass die Leute mehr lesen. Andere Buchhändler sind für uns keine Mitbewerber.

STANDARD: Aber Thalia verdrängt sie durch ihre rasante Expansion. Hat man da ein schlechtes Gewissen?

Pretzl: Nein, keiner kann die Filialisierung und Globalisierung aufhalten. Wir wollen auch niemanden umbringen, sondern neue Plattformen für Bücher schaffen. Wir überlassen sie nicht dem Schicksal rückläufiger Märkte. Die Verlage werden realisieren, dass das die Wege sind, um viele Bücher unter die Leute zu bringen.

STANDARD: Wie sehen Sie die Zukunft der kleinen Buchhändler?

Pretzl: Es gibt genug Platz für Spezialisten, vorausgesetzt sie haben ein klares Profil. Der Buchmarkt ist und bleibt fragmentiert. Die drei größten Ketten haben keine 40 Prozent Marktanteil. Schauen Sie sich die Konzentration in anderen Branchen an, etwa im Lebensmittel- und Möbelhandel.

STANDARD: Thalia betreibt jetzt 30 Filialen. Wie viele sollen es werden?

Pretzl: Vier Standorte kamen im Vorjahr dazu. Diesen März eröffnen wir in Tulln, im Sommer in Graz-Seiersberg, und es gibt viele weitere Angebote. Wir werden den Umsatz heuer erneut zweistellig steigern.

STANDARD: Planen Sie Übernahmen? In Tirol hat Thalia im Vorjahr ja einen Traditionshändler gekauft.

Pretzl: Wir wachsen in erster Linie organisch, denn es werden laufend Einkaufzentren gebaut oder erweitert. Aber wir sind auch offen für Akquisitionen, keine Frage.

STANDARD: In der Branche heißt es, Thalia sei Fixstarter bei allen neuen Einkaufszentren des Spar-Konzerns.

Pretzl: Spar macht professionelles Business, sucht sich die besten Lösungen. Wenn wir die nicht bieten, macht das morgen wer anderer. Wir müssen um jeden Standort kämpfen.

STANDARD: Der Online-Buchhandel boomt. Tut Ihnen Amazon sehr weh?

Pretzl: Amazon hat hier die bedeutende Rolle. Aber auch unser Online-Umsatz steigt laufend um 80 Prozent.

STANDARD: ...aber auf Basis eines noch sehr niedrigen Niveaus.

Pretzl: Der Anteil der online bestellten Bücher liegt derzeit bei unter einem Zehntel. Ein Drittel der Kunden, die via Internet bestellen, holen die Bücher in der Filiale ab und kaufen dort das eine oder andere weitere.

STANDARD: Wie stark orientieren sich Kunden an Bestseller-Listen?

Pretzl: Bestseller sind ein wertvoller Kaufimpuls, keine Frage. Aber über 85 Prozent der Kunden sind Impulskäufer. Und es werden immer mehr. Die Leute kaufen das, was sie sehen.

STANDARD: Nur wenige Bücher verkaufen sich wirklich gut, der Rest hingegen findet immer weniger Absatz. Was tun Sie, damit die Vielfalt nicht verlorengeht?

Pretzl: Wir brauchen allein aufgrund der große Flächen entsprechend viel Futter. Auf unseren Standardflächen gibt es bis zu 60.000 Titel. Wir steuern hier also massiv dagegen.

STANDARD: Beeinflussen Sie die Lesetrends in Österreich?

Pretzl: Selbstverständlich. Wir beeinflussen etwa, wie gut österreichische Literatur gekauft wird.

STANDARD: Das Verramschen von Büchern nimmt zu. Stört Sie das?

Pretzl: So stark ist diese Entwicklung noch nicht, gut ist sie auf keinen Fall. Das Buch wird dadurch entwertet.

STANDARD: Sie kämpfen für die Buchpreisbindung. Ist sie wirklich zu halten? Auch die Musik funktioniert ohne diesen gesetzlichen Schutz.

Pretzl: Das Buch ist heute eines der wenigen Produkte, wo der Preis nicht im Vordergrund steht. Wo die Preisbindung abgeschafft wurde, verbilligen sich die Bestseller, aber alles andere wird teurer. Und das beeinflusst die Vielfalt. Dafür gibt es Beweise in anderen Ländern.

STANDARD: Was halten Sie von der längeren Ladenöffnung?

Pretzl: Die derzeitige 72-Stunden-Regelung ist gut. Der Markt wird sich selbst regulieren.

STANDARD: In Wien-Landstraße halten Sie auch sonntags offen.

Pretzl: Das läuft sehr gut.Aber das ist eine spezielle Situation und nicht auf unsere anderen Standorte übertragbar. Ich persönlich glaube, dass der Sonntag heilig ist.

STANDARD: Haben Sie genug Zeit zum Lesen?

Pretzl: Ich sitze ja an der Quelle und habe viel am Nachtkastl-Tisch liegen. Derzeit Bücher von Wolfgang Fasching und Paul Lendvai. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04.02.2008)