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Pilz in seinem Blog: "Der Innenminister beteuert, alles werde untersucht. Er weiß gemeinsam mit seiner Partei: Die ÖVP kann es nicht mehr verhindern."

Foto: APA/Fohringer
Bisher war Herwig Haidinger nicht als Mann der vielen Worte bekannt. Der Direktor des Bundeskriminalamtes (BK) galt auch gegenüber engen Mitarbeitern eher als introvertiert. Seit Dienstagmittag muss diese Einschätzung revidiert werden. Mit seinen Aussagen vor dem parlamentarischen Innenausschuss sorgte der Spitzenbeamte für einen veritablen Skandal: Ranghöchste Mitarbeiter in den Kabinetten der ÖVP-Innenminister sollen zu Amtsmissbrauch angestiftet, widerrechtlich Informationen an die Presse weitergegeben und politisch motivierte Ermittlungen gefordert haben.

Die erste Überraschung des Tages war schon, das Haidinger vor dem Gremium überhaupt aussagen durfte. Er wartete zwar in der Nähe des Parlaments, als im Innenausschuss eine überraschende Entscheidung fiel: Die SPÖ stimmte gemeinsam mit Grünen, FPÖ und BZÖ einer Befragung des ehemaligen Direktors des Bundeskrimalamts im Ausschuss zu und entband ihn von der Amtsverschwiegenheit.

Ermittlungen eingestellt

Rund zwei Stunden lang sprach Haidinger dann über die vergangenen eineinhalb Jahre. Was er zu sagen hatte, war für den grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz bei seiner anschließenden Pressekonferenz klar: "Es handelt sich um einen politischen Machtmissbrauch des Innenministeriums durch die ÖVP, der alle Erwartungen übertrifft." Zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Bawag-Prozess: Haidinger erklärte dem Untersuchungsausschuss, er sei angehalten worden, die Ermittlungen vor der Nationalratswahl 2006 zu beschleunigen. Als er Medienberichte darüber gelesen hatte, stellte er dies allerdings ein. Die Weisungen aus dem Innenministerium seien mündlich erfolgt, erklärte Pilz, Haidinger habe darauf aber in E-Mails schriftlich Bezug genommen (siehe "Im Wortlaut").

Ein zweiter zentraler Vorwurf betrifft den ehemaligen Kabinettschef des Innenministeriums, Philipp Ita: Er habe Haidinger gebeten, die Unterlagen für den Bankenuntersuchungsausschuss zuerst dem ÖVP-Klub zukommen zu lassen. Ita habe Haidinger nach Nicht-Befolgung dieser Weisung "verbal-intensiv behandelt", wie es Pilz formulierte.

Ex-Kabinettschef wehrt sich

Der mittlerweile als Manager bei den ÖBB tätige Ita wies diese Vorwürfe promt zurück. "Erstens kenne ich sie nur aus den Medien und diese Vorwürfe sind sehr schwerwiegend. Ich weise diese Vorwürfe auf's schärfste zurück", sagte Ita am Dienstagnachmittag zur Austria Presse Agentur. Für ihn sei jedoch klar, "dass ich den zuständigen Behörden alle notwendigen Informationen und Auskünfte jederzeit gebe".

Die zuständigen Behörden könnten sich auch für andere Kabinettsmitglieder interessieren. Konkret nannte Haidinger vor dem Ausschuss Andreas Pilsl, heute Landespolizeikommandant von Oberösterreich und Bernhard Treibenreif, Chef der "Cobra". Beide waren für den Standard für Stellungnahmen nicht erreichbar.

Mäßiges Interesse

Bisher war die Staatsanwaltschaft Wien nur mäßig an den Anschuldigungen interessiert. Nach den internen E-Mails Haidingers im Zusammenhang mit der Nichtverlängerung seines Vertrages als Bundeskriminalamtschef im vergangenen Sommer und Herbst gab es zwar Ermittlungen des Büro für interne Angelegenheiten, die aber offenbar wenig ergiebig waren. Der Leiter des Büros für interne Angelegenheiten, Martin Kräutner, erklärte, man habe schon vergangenen Sommer auf die der Staatsanwaltschaft bekannten Vorwürfe reagiert. "Wir haben sofort reagiert und die Staatsanwaltschaft informiert und von dort auch Ermittlungsaufträge erhalten und bearbeitet". Allerdings hätten sich die ersten Vorwürfe nicht erhärtet.

Der Akt ist derzeit noch immer offen, wirkliche Ermittlungsaufträge gab es durch die Staatsanwaltschaft aber nicht.

Pilz plädiert nun dafür, einen Untersuchungsausschuss zur Causa einzurichten, wofür SP-Klubchef Josef Cap vorerst aber keine Notwendigkeit sieht. Ein solcher Ausschuss könnte gleich ein weiteres Thema behandeln: Laut Pilz habe Haidinger dem Ministerium auch Ermittlungspannen im Entführungsfall Natascha Kampusch gemeldet. Die Anzeige eines Polizisten mit konkreten Hinweisen auf den Täter wenige Wochen nach der Entführung sei versickert. (Andrea Heigl, Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 6.2.2008/APA)