Erstmals in Österreich gab es eine Kader-Fortbildung zum Thema Religionsgemeinschaften und Integration beim Bundesheer. Das Militärkommando Wien, der Veranstalter, hat hier Vorbildwirkung: In der Maria-Theresienkaserne gibt es auch den europaweit einzigen islamischen Gebetsraum. Von Marijana Miljkovic

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Wien – Nicht stramm stehen, aber auch nicht gemütlich sitzen hieß es für ungefähr 100 Offiziere und Unteroffiziere am Mittwoch in der Maria-Theresienkaserne in Wien-Hietzing, als das Militärkommando Wien eine interne Kaderfortbildung zum Thema Migration, Integration und Minderheiten(politik) veranstaltete. Der Grund für die erste Fortbildung dieser Art in Österreich war, über die größten Religionsgemeinschaften in Österreich zu informieren und Bewusstsein für die Vielfalt in der Bevölkerung zu schaffen.

"Ohne Zuwanderung wird Europa nicht funktionieren", sagte Gastgeber Militärkommandant Franz Reißner. Der demographische Wandel bilde sich auch im Bundesheer ab. Seiner Einladung zur Diskussion folgten der katholische Militärseelsorger Harald Tripp und seine evangelische Kollegin Susanne Baus sowie Mouddar Khouja von der islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ).

Der Tenor der Theologen, die bemüht waren, auf die Trennung von Islam (Religion) und Islamismus (politische Bewegung) hinzuweisen, war, den offenen Dialog zu suchen. "Dialog ist zwar kein Allheilmittel, aber notwendig", sagte Tripp. Vor allem, seit Integrationsthemen, die gemeinhin als "Ausländerproblem" bezeichnet wurden, seit dem 11. September 2001 das "Islam-Problem", seien.

Imame im Bundesheer

Das österreichische Militär könnte im ersten Quartal 2008 zwei islamische Seelsorger bekommen. Über ihre Verträge verhandelt das Verteidigungsministerium noch mit der IGGiÖ. Ihr Einsatzgebiet steht schon fest: Ein Imam wird in Salzburg und somit für den Westen zuständig sein, ein anderer in Wien für den Osten.

Über den Migrationshintergrund der Rekruten, die als österreichische Staatsbürger den Präsenzdienst leisten müssten, kann das Bundesheer keine Angaben machen, sehr wohl aber über die Glaubenszugehörigkeit seiner Soldaten (siehe Wissen: Bekenntnisse der Rekruten). Auf die Bedürfnisse der muslimischen Grundwehrdiener hat sich die Maria-Theresienkaserne als einzige in Europa schon eingestellt: Vor vier Jahren wurde ein Gebetsraum eröffnet. Die Soldaten können zu den Gebetszeiten ihren Dienst unterbrechen und werden auch anders verköstigt.

Das ist derart ungewöhnlich, dass vor einigen Tagen auch ein arabisches Fernsehteam von NBC anrückte, um diese Besonderheit zu dokumentieren, erzählt Reißner. Der Gebetsraum musste sogar um ein Zimmer erweitert werden, weil es vor allem Freitags zu eng wurde, erzählt Atila Külcü, Zivilangestellter beim Bundesheer; er hatte den Bau des Gebetsraums initiiert. 50 Soldaten muslimischen Glaubens aus ganz Österreich sind derzeit in Wien-Hietzing stationiert, bundesweit kommen 1000 muslimische Rekruten jährlich zum Bundesheer.

Keine blöden Bemerkungen

Daha Radwan, gebürtiger Österreicher mit ägyptischen Wurzeln, ist in der 2. Betriebsversorgungsstelle, sprich Küche, tätig. "Es freut mich wirklich, dass es einen Gebetsraum gibt", sagt der 19-jährige gläubige Wiener. Sein Kamerad Maqsood Lodin trägt einen Bart, was im Bundesheer eigentlich verboten ist. Als Teil der Religion ist es dem praktizierenden Muslimen – aber auch den Sikhs – erlaubt. Zu seiner Religionszugehörigkeit gibt es vonseiten der anderen Rekruten keine blöden Bemerkungen oder Unverständnis: "Im Gegenteil: Wenn ich im Zimmer meine Gebete verrichte, gehen sie aus dem Zimmer oder verhalten sich leise", erzählt der 18-Jährige, der mit seinen Eltern aus Afghanistan nach Österreich kam. Für den Grundwehrdiener in der Garde war es klar, dass er zum Bundesheer kommt: "Mein Vater war selbst Soldat", sagt der junge Mann.

Selbstverständliches Angebot

Die Angebote für die Muslime seien "selbstverständlich", sagte Franz Reißner. Was die Integration der Rekruten jeden Glaubens betrifft, so wünscht er sich, dass Mehrsprachigkeit und die unterschiedliche Herkunft bewusst eingesetzt würden. "Als wir Gäste aus Mittel- und Osteuropa hatten, haben wir sofort Rekruten gefunden, die uns dolmetschen konnten", sagt Reißner. Einer sprach neben Deutsch auch Türkisch, Tschechisch und Ungarisch. "Und da gibt es in unseren Reihen noch Leute, die auf diesen 19-Jährigen herabschauen", wundert sich der Brigadier.

Mit diesem Potenzial könnten Soldaten den sozialen Aufstieg über die Militärskarriereleiter schaffen, sagt er. Doch noch wackelt beim Bundesheer auf seinen Vorschlag noch niemand mit den Ohren: "Das ist ein mühsamer Prozess", sagt Reißner. Bei manchen Rekruten habe es mit den Sprachkenntnissen gehapert, für diese wurden Deutschkurse angeboten. "Weil in der Freizeit angeboten, wurden sie leider nicht angenommen", erzählt der Militärkommandant. (DER STANDARD Printausgabe 7.2.2008)