Ein hochentwickeltes elektronisches Einreisesystem soll in der EU die Visa ersetzen. Die EU-Kommission stellte am Mittwoch Pläne für ein "einheitliches Grenzmanagement" vor.
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Ein hochentwickeltes Computersystem soll an den EU-Außengrenzen Gesichtsform, Iris und Fingerabdrücke von Einreisenden aus Drittstaaten speichern. Dazu kommen noch Reiseziele, genehmigte Aufenthaltsdauer und möglicherweise Kreditkartendaten. Bei Überschreitung der erlaubten Aufenthaltszeit in der EU meldet das der Computer automatisch den Sicherheitsbehörden. Spätestens bei der Ausreise gibt es dann Probleme, die bis zu einem zukünftigen Einreiseverbot reichen können.
Diese Pläne zu einem vernetzten "einheitlichen Grenzsystem" präsentierte EU-Justiz- und Sicherheitskommissar Franco Frattini am Mittwoch in Brüssel. Der Vorschlag wird den EU-Innenministern vorgelegt.
Schrittweise sollen die Grenzkontrollen der EU-Mitgliedstaaten miteinander vernetzt werden. In Österreich wurden im Jahr 2006 knapp 37.700 illegal Eingereiste festgenommen; EU-weit wurden mehr als 516.000 aufgegriffen. Viele von ihnen hätten ihre Papiere, Pass und Visum vernichtet und konnten nur schwer identifiziert werden, sagte der Kommissar. Ein Iris-Scan wäre hier besser. Nach EU-Schätzungen hielten sich 2006 bis zu acht Millionen Menschen illegal in der EU auf, die Mehrheit davon, weil ihr Visum abgelaufen war.
Iris-Scan statt Reisepass
"Die Identifikation mit einem Stück Papier und einem Bild ist veraltet und entspricht nicht mehr den Techniken des 21. Jahrhunderts", sagte Frattini. Die Überprüfung der Iris könnte Pässe und Visa weitgehend überflüssig machen. EU-Bürger und Menschen, die häufig in die EU einreisen, könnten in einem Schnellidentifizierungssystem erfasst werden.
Nach einer vorherigen Sicherheitsüberprüfung im Heimatland könnten auch Bürger aus Drittstaaten nach einem Iris-Scan schnell einreisen, schlägt Frattini vor. Aber auch die Versuche, "mit hochseeuntauglichen, überfüllten Booten" über den Atlantik oder das Mittelmeer illegal in die EU zu gelangen, sollen mittels Investitionen in High-Tech-Ausrüstung besser unterbunden werden.
Frattini will dazu auch verstärkt Satelliten einsetzen, die in der Lage wären, sogar kleine Boote schnell zu orten. "Wir müssen verhindern, dass immer wieder Menschen beim Versuch, die EU zu erreichen, ertrinken." Schnellboote könnten durch die Satellitenhilfe rascher den Flüchtlingsschiffen zu Hilfe kommen und sie auch zum Umkehren veranlassen, meinte der Kommissar.
Für die Grenzkontrollen soll die EU-Grenzagentur Frontex aufgerüstet werden, wobei die Finanzierungsfragen ungeklärt sind. Prinzipiell will die EU-Kommission mit dem neuen System sämtliche Außengrenzen der EU schützen. Der Schengen-Raum werde hier wegen der bereits erfolgten Vernetzung aber eine Vorreiterrolle spielen. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 14.2.2008)