Graz - Die Schändung des gesamten islamischen Teils des Grazer Zentralfriedhofs sorgt auch vier Tage nach Bekanntwerden für Aufregung und Bestürzung in der steirischen Hauptstadt. Vor allem das gleichzeitige Auftauchen eines Drohschreibens, in welchem dem Präsidenten der ägyptischen Gemeinde, SPÖ-Gemeinderat Soleiman Ali, angedroht wird, er werde sich bald "im Paradies wiederfinden", beschäftigt die Ermittler (der Standard berichtete).

Die Wahrscheinlichkeit, dass man jene Vandalen ausfindig macht, die laut Polizei 45, laut islamischer Glaubensgemeinschaft rund 60 Gräber verwüsteten, schätzt der Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Alexander Gaisch, gering ein: "In Sachen Gräberschändungen hat sich noch nichts ergeben. Der Staatsanwalt ermittelt jetzt, aber es ist schwierig, weil es keinen wirklichen Ermittlungsansatz gibt. Aber wir versuchen, in alle Richtungen zu denken."

Neonazi-Symbole

Im Drohbrief findet sich auch ein Hinweis auf den Friedhof: Man werde dort "Schweinereien vergraben" und die Gräber "mit Schweineblut tränken". Staatsanwalt Manfred Kammerer meint trotzdem: "Ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Strafverfahren drängt sich nicht auf, kann aber derzeit naturgemäß auch nicht ausgeschlossen werden."

Die auf dem Drohschreiben verwendete Odalrune ist ein in der rechtsextremen Szene beliebtes Symbol, das bis dato nur in Deutschland verboten ist. Ein Experte vom Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes (DÖW) erklärt: Das habe "jeder zweite Skinhead tätowiert". Auch die Wiking-Jugend verwende das Symbol.

Die DÖW-Mitarbeiter fühlen sich auch an Attacken erinnert, die zu Silvester in Linz stattfanden: Dort sollen Unbekannte Schweineköpfe auf dem Baugrund der künftigen Moschee aufgespießt haben.

Auch das schlechte Deutsch, in dem der Brief verfasst wurde, sei "typisch für die Neonazi-Szene".

In Graz tauchten schon im April 2007 Drohbriefe bei karitativen Institutionen auf, die ähnlich aussehen. Sie tragen die weniger bekannte Wolfsrune, die von der Anfang der 90er-Jahre gegründeten Bewegung "Werwolf" verwendet wird. Das DÖW dazu: Das Gefährliche an dieser Gruppe sei, dass sie eine neue Ära einläutete: Jene von Neonazis, die "Doppelleben führen".

Chef-Ermittler Gaisch meinte, auf die älteren Drohbriefe angesprochen, es sei gut möglich, dass es sich um die selben Absender handle. Soleiman Ali wartete am Donnerstag noch immer auf Personenschutz durch die Polizei. Doch die "Gefährdungseinschätzung" der Bedrohung des SP-Politikers dauere weiter an, sagte Gaisch: "Seine Wohnadresse wird aber stichprobenartig überprüft."

Die Grazer FPÖ-Chefin, Susanne Winter, die seit Wochen Personenschutz bekommt, distanzierte sich Donnerstag von der Grabschändung: "Störung der Totenruhe ist eine widerliche Handlungsweise, die mit freiheitlichem Gedankengut unvereinbar ist." (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Printausgabe, 8.2.2008)