Wien - Unternehmen im mehrheitlichen Besitz der öffentlichen Hand sollen sich als Beitrag zur Bekämpfung der Inflation bei Preiserhöhungen zurückhalten und ihre Dienstleistungen höchstens "unterhalb der Inflationsrate" verteuern, forderte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl am Dienstagabend. Statt auf diese Weise "ein Vorbild" zu sein, gäben diese aktuell aber "ein schlechtes Beispiel" ab.

Als Beleg dafür nannte Leitl unter anderem teils massive Gebührenerhöhungen bei der Gemeinde Wien, die bevorstehende Anhebung der "Programmentgelte" beim ORF um neun Prozent, aber auch die Preisanhebungen bei der Wien Energie. Leitl, der seit langem die Strombranche wegen mangelnden Wettbewerbs kritisiert, verwies erneut auf die Rekordbilanzen der Elektrizitätsfirmen. Diese seien so gut, dass allfällige private Aktionäre auch dann zufrieden sein könnten, wenn die Versorger ihrer "Vorbildrolle" gerecht würden.

Nach Expertenberechnungen trugen die "administrierten Preise" (exklusive Energie) im vergangenen Jahr allerdings nur etwa 0,3 Prozentpunkte zum Anstieg des Verbraucherpreises (2,2 Prozent im Jahresschnitt, 3,6 Prozent im Dezember 2007) bei. Weitere 0,2 Prozentpunkte haben die Strom- und Gaspreise beigetragen.

Händler sind nicht schuld

Der Händler stünden dagegen im Wettbewerb und "schenken sich nichts" und seien daher auch nicht für die Teuerung verantwortlich, meinte der Wirtschaftskammerpräsident am Dienstagabend vor Journalisten. Das "Wirtschaftsblatt" will hingegen in seiner heutigen Ausgabe wissen, dass sich Vizekanzler Molterer an Diskonter Hofer gewandt habe und dort sein Anliegen, man möge die Preise für die nächsten Monate einfrieren, vorgetragen habe.

Leitl, der seit geraumer Zeit auf eine lockerere Zinspolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) dringt, sprach sich trotzdem noch einmal ausdrücklich dafür aus, den Leitzins um einen halben Prozentpunkt zu senken. Dies sei angesichts der US-Zinsentscheidungen ein "Signal", das für die politische Akzeptanz der Union wichtig sei. Die zuletzt auf 1,8 Prozent reduzierte Wachstumsprognose im Euroraum sei jedenfalls zu wenig, um mehr Jobs zu schaffen.

Leitl räumte aber ein, dass die Zinssenkungsforderung ein "zweischneidiges Schwert" sei "und es auf diesem Gebiet nicht nur eine Wahrheit gibt".

Arbeiterkammer verlangt Branchenuntersuchung

Die Arbeiterkammer, die als einer der Sozialpartner in der Wettbewerbskommission vertreten ist, fordert dagegen eine Branchenuntersuchung bei Lebensmitteln berichtet das Ö1-Morgenjournal. Die Unterlagen seien zum Teil schon vorhanden, sagt AK-Expertin Maria Kubitschek laut dem Bericht. Die Wettbewerbsbehörde könne etwa von Firmen Unterlagen darüber verlangen, wie sie ihre Preise kalkulieren. Wer von den hohen Preisen profitiere, sei nicht klar, hieß es in dem Bericht. Kubitschek vermutet, das der Wettbewerb irgendwo nicht funktioniert. Deshalb müsse die gesamte Wertschöpfungskette - also Produktion, Verarbeitung und Handel - untersucht werden, sagt die AK-Expertin. Die notwendigen Informationen dazu seien vorhanden - sie würden zum Beispiel von der Statistik Austria in ihrem monatlichen Verbraucherpreis-Index erhoben. Auch die Arbeiterkammer beobachtet die Lebensmittelpreise regelmäßig.

Die Bundeswettbewerbsbehörde sollte nach dem Preismonitoring Maßnahmen vorschlagen, sagt die AK-Expertin im Morgenjournal. Denkbar sei ein Preismonitoring nach Vorbild der Treibstoffpreise. Beim heutigen Ecofin in Brüssel steht das Thema ganz oben auf der Agenda. (APA/red)