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Wahlkampf in Faisalabad, westlich von Lahore: Anhänger der Oppositionspartei PPP trotzten der Gefahr von Bombenanschlägen und kamen zum Auftritt des Bhutto-Witwers Zardari.

Foto: Getty/Warrick Page
Ausgerechnet die beiden Männer, die nach den Parlamentswahlen Pakistan regieren könnten, finden sich auf keinem Wahlplakat – weil sie so unbeliebt sind: Staatschef Musharraf und Bhuttos Witwer Zardari.

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Schwarzer Anzug, dicker Goldring, teure Armbanduhr. Hamid Khan sieht nicht wie ein gefährlicher Rädelsführer aus. Und doch ließ Pervez Musharraf ihn während des Ausnahmezustandes im November jagen wie einen Staatsfeind. Einen Monat hielt sich der 61-Jährige damals im Untergrund versteckt. „Man hat mir gesagt, ich muss die Batterie aus dem Handy nehmen, damit die Geheimdienste mich nicht finden“, sagt er und schmunzelt.

Er erzählt es ohne Groll. Eher wie eine Anekdote. Khan sitzt auf einem Ledersofa in seiner Kanzlei im Herzen Lahores und nippt an seinem Milchtee. Er redet ruhig, bedächtig, Hetzparolen sind nicht seine Sache. Der Vater von vier Kindern ist einer der besten und angesehensten Anwälte Pakistans. Und er ist einer der führenden Köpfe der Juristenbewegung, die den Aufstand gegen den ungeliebten Präsidenten Musharraf anzettelte und anführte.

Am Montag wählt Pakistan nach acht Jahren Militärregime ein neues Parlament. Und Musharraf und die USA würden dies gerne als Triumph der Demokratie verkaufen. Doch für Khan ist es ein schwarzer Tag. Wie tausende seiner Kollegen im Lande wird er den Urnengang boykottieren. Aus Protest gegen Musharraf. Gegen die Absetzung der mutigen Verfassungsrichter um Iftikhar Chaudhry, die bis heute unter Hausarrest stehen. Und gegen diese wunderlichen Wahlen, die sie für eine Farce halten.

„Welche Glaubwürdigkeit haben diese Wahlen? Es gibt keine unabhängige Justiz. Es gibt keine unabhängige Wahlkommission. Es gibt keine freien Medien“, sagt Khan. Er ist müde und auch enttäuscht. Hätten alle Parteien die Wahlen boykottiert, hätte Musharraf gehen müssen, meint er. Doch die größte Oppositionspartei PPP der toten Benazir Bhutto war es, die sich gegen einen Boykott sperrte. „Sie haben Musharrafs politisches Überleben verlängert“, sagt Khan.

Pervez Musharraf ist verschwunden. Zumindest von den Plakaten. Noch im November war fast ganz Lahore mit seinem Konterfei gepflastert. Nun sind stattdessen grüne Wahlplakate mit einem weißen Fahrrad zu sehen. Weil fast 60 Prozent der 165 Millionen Pakistaner nicht lesen und schreiben können, hat jede Partei ein Symbol. Die PPP führt den Pfeil im Wappen und die Muslimliga von Nawaz Sharif den Tiger.

Verlegene "Königspartei"

Das Fahrrad steht für den einfachen Mann und ist das Symbol der PML-Q. Man nennt die PML-Q auch die „Königspartei“ – weil sie Musharraf stützt. Doch nun hat die PML-Q sogar Angst, mit dem Bild Musharrafs zu werben. Bei Wahlreden vermeiden die Parteiführer die Erwähnung seines Namens. So unbeliebt ist der Präsident bei seinem Volk. 70 bis 80 Prozent der Menschen wollen, dass er geht, sagen Umfragen.

Früher glichen Wahlkämpfe in Pakistan Volksfesten. Doch nun wirkt die Stimmung gelähmt, ja depressiv. Dabei ist Lahore die Hauptstadt der Provinz Punjab – und somit das Zentrum des Wahlkampfes. Der Punjab stellt 45 der 81 Millionen Wähler. „Wer im Punjab gewinnt, regiert in Islamabad“, heißt es.

Nawaz Sharif rief am Freitag in Lahore zur Kundgebung. Nur Stunden zuvor waren im Nordwesten des Landes 27 Menschen bei einem Anschlag auf eine Wahlversammlung getötet worden. Trotzdem kamen Zehntausende, um Sharif zu hören. Er sprach hinter Panzerglas, aber sein Kopf ragte über das Schild. Man hätte ihn töten können. „Die Menschen riskieren genauso ihr Leben wie ich“, sagt Sharif später, während er in der Parteiresidenz ein schnelles Mittagessen zu sich nimmt.

Der 58-Jährige gibt sich siegessicher. Man nimmt es ihm nicht recht ab. Er wirkt wie einer, der weiß, dass er geschlagen ist. Seit seine Rivalin Bhutto am 27. Dezember bei einem Anschlag getötet wurde, schwebt die PPP auf einer Woge der Sympathie. „BB“ ist im Tode zur überlebensgroßen Landesmutter geworden, zur Superwoman der Demokratie. Bhuttos Witwer Asif Ali Zardari hat, obgleich seit Jahren getrennt von seiner Frau lebend, ihr politisches Erbe angetreten und führt die Partei. Doch er selbst ist so unpopulär, dass sein Bild auf Wahlkampfplakaten fehlt – wie das Musharrafs. (DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.2.2008)