...etwa orientieren sich mit Ultraschall, Waldfrösche überleben eisige Winter mit einer Art inneren Frostschutzmittels, der Faden einer Spinne ist ebenso fesselnd wie der Bienentanz, Zugvögel haben eine fabelhafte Orientierung usw. Und der Mensch? Was hat der Homo sapiens entwickelt? Gier, Angst, den Wunsch, immer mehr und mehr zu haben.

Letzte Woche konnte ich in Linz ein Heim besuchen, wo Menschen leben, die überhaupt nichts haben. Hier sind Asylbewerber untergebracht, die in ihrer Heimat grauenvolle Geschichten durchleiden mussten, gefoltert oder misshandelt worden sind, Menschen, deren Liebste getötet worden sind, die ihr letztes Geld in Schlepperbanden investiert haben, um nach Westeuropa zu gelangen. Und war es das wert? In Österreich müssen sie oft acht, neun Jahre warten, bis über ihren Asylantrag entschieden wird. Obwohl das EU-Recht anderes verlangt, dürfen sie nicht arbeiten. Weil sie mit einer Arbeit Rechte bekämen, die ihnen niemand zugestehen will - am wenigsten jene, die an ihnen gut verdienen. Studenten dürfen ihr Studium nicht fortsetzen.

So sind Asylbewerber praktisch vogelfrei, dürfen kein Handy anmelden, kein Internet. Das klingt banal, ist aber tragisch. 150 Euro im Monat haben sie zum Überleben, Wohnen ist gratis, aber nicht der Deutschkurs. In ihrer Heimat waren sie Ärzte, Lehrer, Krankenpfleger, Tischler, o. Ä., jetzt sind sie beinahe so recht- und würdelos, wie Giorgio Agamben die Muselmanen im KZ beschreibt. Ein unhaltbarer Zustand, dass man sich schämen muss für unseren armen Staat.

Aber es gibt auch Menschen, denen dieses Fremdschämen nicht reicht, die etwas tun, jugendliche Asylbewerber mit zum Skifahren oder Fußball nehmen, Abschiebungen verhindern, integrieren, so gut es geht. Respekt! Und es gibt Fußballvereine, die Asylbewerber ohne Mitgliedsbeitrag aufnehmen. Das ist oft der einzige Zeitvertreib, der ihnen auch ein Gefühl von Gemeinschaft, einen Hauch von Freundschaft gibt. Wenn der Fußball nicht wäre, sagt etwa Asko, er kommt aus Aserbaidschan und spielt in einer oberösterreichischen Dorfmannschaft, wenn der Fußball nicht wäre, hätte er das dauernde Herumsitzen und Nichtstun kaum ertragen. Ohne Fußball hätte er sich umgebracht.

Fußball macht Hoffnung. Und manchmal kommen sogar Märchen vor, wie bei Eke Uzoma, der als Asylbewerber Profi in Freiburg geworden ist. Vielleicht ist in der Evolution doch noch etwas drin? Vielleicht sogar in Österreich? (Franzobel, DER STANDARD Printausgabe 19. Februar 2008)