Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war nach der Rückkehr. Am ersten Tag danach. Denn die Behauptung des Südtiroler Boarders am Osttiroler Berg hatte mir dann doch keine Ruhe gelassen (siehe die vorangegangene Stadtgeschichte): Dass das beste an Wien der Biker-Funpark im Prater sein sollte, schien mir ein bisserl absurd.

Genauer: Dass das, was ich im Prater als BMX-Hüpfstrecke vom Vorbeilaufen kannte, einen g´standenen Mountainbiker begeistern könnte, schien mir undenkbar. Aber – zugegeben – ich bin kein Half- und Quarterpipefahrer. Und auch kein Rail-Rutscher oder Box-Hoppser. Oder wie immer das alles heißen mag. Ich bin eigentlich überhaupt kein Sprung- oder Trick-Freak. Nicht im Schnee. Und schon gar nicht mit dem Fahrrad: Bisher hatte ich mich da immer auf mein Alter herausgeredet. Aber vermutlich bin ich einfach feige.

Eh ok

Trotzdem: Dass das Funpark-Eckerl an der Hauptallee, ziemlich genau gegenüber vom Kinderverkehrsübungsplatz, irgendjemandem mehr als ein "ja, eh ok" entlocken würde, konnte ich mir nicht vorstellen. Aber da der Südtiroler so davon geschwärmt hatte, machte ich dann am Sonntag beim Laufen mit dem Hund dort eine kleine Pause. Ich sah mich um, war enttäuscht – und rief den Südtiroler an.

Ich erwischte ihn auf irgendeinem Berg im Glocknergebiet. Und nachdem ich ausgiebig neidig gewesen war, fragte ich ihn, ob er mich verarscht hätte. Er verneinte. Und meinte, ich solle mich einfach auf den fetten Ast setzen, der da am Ende des Parks quer über eine Rampe reiche und das ganze Ensemble noch einmal auf mich wirken lassen. Nur: Da war weit und breit kein Ast.

Ins Dickicht

Der Bergmensch lachte. Dann klärte er mich auf: Ich sei im falschen Bike-Park. Das, von dem er spräche läge nicht an der Hauptallee. Ich sei, erklärt er, am falschen Praterende: Sein Funpark läge im Wald. Im Dickicht zwischen Lusthaus, S-Bahn und Donaukanal. Ich solle, meinte er, halt noch einmal die Hauptallee zurückjoggen – und dann ein bisserl suchen. Ich stöhnte. Der Hund sah mich vorwurfsvoll an. Der Tiroler lachte: So schwer sei das doch wirklich nicht – auf vier Kilometer mehr könne es wohl nicht ankommen. Ich trabte los.

Beim Lusthaus bog ich rechts in jene Allee ab, die zu meinem ehemaligen Schulsportplatz, der Birkenwiese führt. Knapp vor der S-Bahn-Unterführung schlug ich mich in die Büsche: Über den Reitweg und ein paar Trampelpfade entlang. Und nach ein paar hundert Metern traute ich meinen Augen nicht: Mitten im Auwald lag da eine feine, wilde Crosstrecke für BMX-Fahrer und andere Rad-Wahnsinnige. Mit Hindernissen, Rampen und Sprüngen, Steilkurven, Engstellen, Löchern und sonst noch so allerlei feinem Schnickschnack. Und am anderen Ende der Anlage war so etwas wie eine Sprungschanze: Der Anlauf führte vom Bahndamm abwärts auf ein hölzernes Gerüst. Wo die Landezone war, konnte ich aber von meinem Standpunkt aus nicht sehen.

Erde

Denn bis auf die Schanze war das ganze Ensemble aus Erde. In den Boden gebuddelt und aus ihm bis in etwa zwei Meter Höhe nach oben gezogen. Feinste Handarbeit: mit dem Bagger käme man zwischen den Bäumen nicht weit. Unter einem Baum lagen sogar ein paar alte Schaufeln. An ein paar Absprung- und Landezonen hatten die unbekannten Bahnbauer sogar Stützmaterial in die Strecke eingebaut: Gummimatten, alte Säcke und Plastikbahnen waren an einigen abgefahrenen Stellen unter und in der Erde auszumachen.

Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Aber die Bahn wirkte dennoch nicht verlassen oder vergessen: Die Spuren im Erdreich waren frisch – höchstens drei, vier Tage alt, schätzte ich. Nicht, weil ich Trapper-Blut in den Adern habe, sondern weil da noch ein paar Lacken am Weg gewesen waren: Ältere Reifenspuren wären wohl weggewaschen worden.

Ast und Kicker

Ich fand auch den Ast, von dem mein Südtiroler Freund gesprochen hatte: Etwa einen halben Meter über einem der Erd-Kicker ragte er so waagrecht, als hätte man ihn mit der Wasserwaage eingerichtet, über die Bahn. Er hatte Schrammen und Dellen. Ich setzte mich hin und staunte. Der Hund sah mich fragend, aber gänzlich unbeeindruckt an: Ein paar Haufen Erde – na und?

Als ich mich dann wieder auf den Weg machte, war mein erster Kontakt mit der Zivilisation eine Schrebergartensiedlung. Vor mir versperrte ein Schranken den Weg. Daneben stand ein Schild: "Kleingartenverein Freudenau. Radfahren Verboten."(Thomas Rottenberg, derStandard.at, 21. Februar 2008)