Mit Schulunterricht nach "DDR-Art" begeben sich BesucherInnen des Schulmuseums in Leipzig auf Zeitreise.

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Leipzig - "Seid bereit - immer bereit" - mit Pioniergruß und Meldung durch den Ordnungsdienst an den Lehrer beginnt der Unterricht der Klassenstufe 3. Schauplatz für diese Schulstunde wie zu DDR-Zeiten ist das Schulmuseum Leipzig. "Wir bieten als einziges Schulmuseum originalen Unterricht auf DDR-Art", sagt Museumsleiterin Elke Urban, die für diese Dreiviertelstunde in ein echtes Dederonkleid aus volkseigener Produktion schlüpft. Sie will das Angebot an Schulklassen ab Stufe 9, Lehrergruppen und Studenten aus dem In- und Ausland als Teil der Vergangenheitsaufarbeitung verstanden wissen.

Keine Ostalgie

"Was wir hier machen, hat mit Ostalgie aber auch gar nichts zu tun", betont Urban. Wer Schule noch aus DDR-Zeiten kennt, fühlt sich zurückversetzt, wenn er den Klassenraum im Schulmuseum betritt. Alles ist authentisch - die für den heutigen Geschmack hässlichen Vorhänge aus dem einst in der DDR erfundenen Gewebe Malimo, die Schulmöbel, sogar die Grünpflanzen. Auch das Schulbuch ist echt.

Urban, die früher Musik und Französisch an zwei Leipziger Schulen unterrichtete, zeigt den mit Pioniertüchern ausgestatteten Jugendlichen eine Welt, die sie nur noch vom Hörensagen kennen. Exemplarisch und teils auch zugespitzt wird der DDR-Schulalltag nachgespielt. Etwa die Ausgrenzung und Diskriminierung des einzigen Nichtpioniers in der Klasse, dessen Situation in dem Rollenspiel zur Zivilcourage herausfordert.

Zivilcourage

Eine Chance, die die Jugendlichen von heute in dem nachgespielten Unterricht aber nicht ergreifen. Sie bleiben stumm. "Noch nie hat jemand aufbegehrt", sagt Urban. Sie hofft, dass mit diesem Projekt die Schüler zu ahnen beginnen, was Schule in der Diktatur heißt, und warum für die Elterngeneration Widerspruch so schwer war.

Im vorigen Jahr wurde das Museum mit dem erstmals ausgeschriebenen sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet. Den vom Freistaat und mehreren Stiftungen ausgelobte Preis ist dem Haus für sein Ausstellungsprojekt "Gegen den Strom - Schule im Widerstand" verliehen worden. Die Ausstellung trage dazu bei, für jegliche Form von Gleichschaltung und Unterdrückung zu sensibilisieren, hieß es zur Begründung. In den Blick genommen werden die NS-Zeit und die DDR.

Zahlreiche Schulmuseen

Nicht nur die DDR-Bildung wird im Schulmuseum verhandelt. Wie zu Kaisers Zeiten "Zucht und Ordnung" herrschten, wird gleichfalls in einer Unterrichtsstunde nachgespielt. In einem besonderen Projekt haben sich die Museumsleute der Geschichte der jüdischen Bürger von Leipzig angenommen. Akribisch erforschten sie deren Wohnorte und das Schicksal vor allem von Kindern und Jugendlichen, die von den Nazis deportiert wurden. Museumsbesucher haben die Möglichkeit nachzuschlagen, ob es in ihrer Nähe einst jüdische Nachbarn gab. Ihnen zum Gedenken können sie mit Botschaften versehene Taschentücher an die Zweige eines Baumes knoten.

In zahlreichen deutschen Städten gibt es Schulmuseen mit ganz unterschiedlichen Profilen. Das Magdeburger Schulmuseum etwa erforscht die Schule vor 100 Jahren und die Geschichte des höheren Magdeburger Schulwesens. Das Museum im brandenburgischen Reckahn residiert im Schulgebäude von 1773, in dem die erste zweiklassige Dorfschule Preußens eröffnet worden war. Im Dresdner Schulmuseum widmet sich eine Dauerausstellung der Reformpädagogik. (APA/DPA)