Wien – Im Zusammenhang mit der laufenden Egger-Lienz-Retrospektive im Leopold Museum, die mit 14 unter Raubkunstverdacht stehenden Bildern ("Waldinneres" sowie Leihgaben aus Lienz, Innsbruck und Klagenfurt) bestückt ist, forderte Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, Direktor Rudolf Leopold erneut auf, Egon Schieles "Häuser am Meer" an die Erben nach Jenny Steiner zurückzugeben. Leopold will davon aber nichts wissen: Laut einer "Klarstellung" seines Museums habe er das Bild 1953 "rechtmäßig erworben". Zitat: "Er hatte keine Ahnung, dass das Bild vor dem Jahr 1938 Jenny Steiner gehört haben sollte. Davon erfuhr er erst 1998, als die Archive geöffnet wurden."

Zinggl überführte Leopold daraufhin der Lüge: Der Augenarzt hatte bereits 1972 in seinem Schiele-Werkkatalog Jenny Steiner als Vorbesitzerin der "Häuser am Meer" genannt. Das Leopold Museum spricht nun von "einem Versehen bei der Abfassung der Aussendung". Neue Version: Leopold hätte bis 1998 nicht gewusst, "dass Jenny Steiner eine rassisch Verfolgte war".

Für Zinggl stellt dies eine "ethisch untergriffige Schutzbehauptung" dar. Er spricht von einem "gierigen Nicht-loslassen-Können unrechtmäßig erworbenen Eigentums" und forderte SP-Kulturministerin Claudia Schmied nochmals zum Einschreiten auf. Sie ließ ausrichten, an einer "sauberen Lösung" interessiert zu sein. Näheres wolle sie aber erst am 26. März bei einer Pressekonferenz mit Clemens Jabloner, dem Vorsitzenden des Rückgabebeirats, bekanntgeben. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.2.2008)

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Hilfloses Schweigen
Claudia Schmied weiß keine Antwort auf Rudolf Leopolds peinliche Provokation

Hilfloses Schweigen
Claudia Schmied weiß keine Antwort auf Rudolf Leopolds peinliche Provokation

Man kann Rudolf Leopold sehr vieles unterstellen. Naiv aber ist der Augenarzt, Sammler und Museumsdirektor auf Lebenszeit nicht. Die Egger-Lienz-Retrospektive feiert daher nicht nur, wie das Leopold Museum in einer Aussendung unschuldig beteuert, den "großen Künstler Albin Egger-Lienz": Die Schau ist eine kalkulierte Provokation. Denn Leopold zeigt – unbeeindruckt von vielerlei Bemühungen im letzten Jahrzehnt, das schändliche Kapitel der in der NS-Zeit geraubten Kunst aufzuarbeiten – vierzehn Werke des Osttiroler Malers, bei denen nach wie vor Verdacht besteht, unter zweifelhaften Umständen in öffentliche Sammlungen gekommen zu sein.

Die Fakten liegen seit Jahren auf dem Tisch: Am 20. Oktober 2001 hatte der Standard die umfangreiche Recherche "Das Gieren nach Egger-Lienz" veröffentlicht. Passiert ist seither wenig, denn das Rückgabegesetz aus 1998 bezieht sich nur auf die Bundesmuseen, nicht aber auf Stiftungen (wie die vom Staat zusammen mit Leopold gegründete) beziehungsweise auf die Sammlungen der Länder und Gemeinden. In Innsbruck wie Klagenfurt stellt man sich daher taub. Und die Stadt Lienz, die den weit größten Bestand an Egger-Lienz-Bildern mit fragwürdiger Provenienz hat, nahm nur in den zwei augenscheinlichsten Fällen Restitutionen vor.

Die Retrospektive ist daher, wie es Wolfgang Zinggl formulierte, die "wahrscheinlich größte Präsentation von Raubkunst in Österreich seit vielen Jahren". Der Kultursprecher der Grünen hält sie für unzumutbar – und forderte Kulturministerin Claudia Schmied auf, endlich Taten zu setzen. Doch am Minoritenplatz ist man ziemlich schmähstad: Schmied war bisher zu keiner Stellungnahme (beispielsweise des Bedauerns) bereit. Das stimmt in mehrerlei Hinsicht nachdenklich. Denn Schmieds Ministerium musste von Leopolds Plänen, im Museumsquartier raubkunstverdächtige Werke zu präsentieren, unterrichtet gewesen sein. Im achtköpfigen Vorstand der Stiftung Leopold sitzen schließlich zwei vom Kulturministerium entsandte Personen. Und einer davon, Helmut Moser, der Vorsitzende, ist sogar leitender Beamter. Da auch das Finanzministerium mit zwei Personen im Vorstand vertreten ist, liegt der Schluss nahe: Diese Provokation von Leopold wurde stillschweigend von der Republik Österreich geduldet.

Claudia Schmied mag die Kritik als ungerechtfertigt empfinden. Schließlich hatte sie vor einem Dreivierteljahr im Standard-Interview beteuert, die Restitution als "moralische Pflicht" zu sehen. Damals zog sie eine Novellierung des einschränkend formulierten Ermächtigungsgesetzes in Betracht. Und sie kündigte Gespräche mit Rudolf Leopold an. Doch auch jetzt kann ihr Pressesprecher nur das Gleiche wiederholen: Man sei an einer "sauberen Lösung" interessiert. Denn weder wurde in diesem Dreivierteljahr eine Novelle zur Rückgabegesetz ausgearbeitet, noch das Gespräch mit Leopold gesucht.

Die Provenienzforschung wird daher weiterhin von einem Historiker betrieben, der, von der Stiftung entlohnt, pro domo argumentiert. Und weiterhin prallen an Rudolf Leopold, der partout nichts von Restitutionen wissen will, die berechtigten Vorwürfe von Zinggl ab: Die Stiftung sei "nicht in der Lage, politisch oder privat motivierten Zurufen ohne entsprechende Legitimation zum Schaden der Stiftung nachzukommen".

Wohlwollend könnte man meinen, Schmieds Schweigen ist angesichts der ungeheuren Behauptungen Leopolds in den letzten Tagen ein betretenes. Es dürfte aber eher ein hilfloses sein. Die Öffentlichkeit wird nur vertröstet: Am 26. März – das bedeutet einen Zeitgewinn von einem Monat– will Schmied zusammen mit Clemens Jabloner, seit letztem Sommer Vorsitzender des Rückgabebeirats, erste Schritte bekanntgeben. Diese fußen auf einem Gutachten, das grundsätzliche Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Stiftung auslotet. Die Idee zum Gutachten hatte leider nicht das Ministerium – sondern die Kultusgemeinde, die es in Auftrag gab und bezahlte. Auch das ist beschämend. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.2.2008)