Wenn sich die ÖVP nicht an demokratische Spielregeln hält, dann kann "eine Samtkrone zu einer Blechkrone werden", meint Petrovic.

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Madeleine Petrovic will als Niederösterreichs erste grüne Landesrätin nicht in jedes Dorf eine U-Bahn bauen, aber Züge im 15-Minuten-Takt zwischen St. Pölten und Wien. Mit ihr sprachen Andrea Heigl und Gudrun Springer. Mit ihr sprachen Andrea Heigl und Gudrun Springer.

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STANDARD: Warum haben Sie uns diese Blechkrone mitgebracht?

Petrovic: Wir haben im Wahlkampf das Symbol der Krone gewählt als Zeichen für ein System, das überholt ist. Ich sage der ÖVP immer: Ihr schneidet euch ins eigene Fleisch, wenn zum Beispiel der Landtagspräsident – egal was in der Geschäftsordnung steht – diese genau so anwendet, dass sich der Landeshauptmann nicht ärgern muss. Wenn man das beanstandet, werden wir als i-Tüpferl-Reiter verhöhnt. Aber Regeln sind in der Demokratie wichtig. Die gibt es auch beim Fußball, da kann man auch nicht plötzlich Rugby spielen. In Niederösterreich wird immer Rugby gespielt. Die Spielregeln sollten von mächtigen Parteien peinlich genau eingehalten werden. Sonst kann eine Samtkrone zu einer Blechkrone werden.

STANDARD: Ist die absolute Mehrheit der ÖVP zu knacken?

Petrovic: Nein, diesmal nicht, und das liegt an der Schwäche der Sozialdemokratie. Selbst wenn die ÖVP Stimmen verlieren würde, ist sie aufgrund des Wahlrechts immer noch mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet. Das geht runter bis ungefähr 47 Prozent. Spannend ist vielmehr, wer den dritten Platz erringt.

STANDARD: Was würden Sie tun, wenn Sie Ihr Ziel erreichen und Umweltlandesrätin werden?

Petrovic: Das wird davon abhängen, wie das Ressort ausschaut, die ÖVP wird sicher eher die schwierigen Kompetenzen abgeben. Mir liegt die Verkehrspolitik besonders am Herzen, denn das kann nicht so weitergehen. Aus ökologischen und auch aus wirtschaftlichen Gründen müssen wir eine bessere Logistik einführen, momentan wird das Verkehrssystem mit Steinzeit-Technik gemacht. Man muss kombinierte Systeme schaffen, nicht in jedes Waldviertler Dorf wird eine U-Bahn gebaut werden. Aber man sollte auch nicht von irgendwo her bis in die Mitte der Stadt fahren. Im Güterverkehr muss man die Schiene und die Wasserstraße nutzen und nur beim Verteilen in die Fläche möglichst sparsame Lkws.

STANDARD: Wie lange brauchen Sie öffentlich nach St. Pölten?

Petrovic: Ich wohne in Gloggnitz direkt an der Südbahn, nach Wien ist die Verbindung sehr gut. Wenn ich aber nach St. Pölten will, dann beginnt die Katastrophe, da passen die Anschlusszeiten nicht zusammen. Zwischen St. Pölten und Wien sollten Züge im Viertelstundentakt fahren. Die 50 Minuten derzeit sind ein Wahnsinn – und zwar zu den Stoßzeiten. Bei Straßenprojekten hat Niederösterreich über 300 Millionen Euro vorfinanziert, die Bahn hingegen wird nach 2015 ausgebaut, heißt es. Politisch gesehen heißt das: am Sankt-Nimmerleins-Tag.

STANDARD: ÖVP-Landesrat Josef Plank ist derzeit für Umwelt und Landwirtschaft zuständig. Muss man das trennen, wenn Sie Umweltlandesrätin werden? Eine Grüne, die für Bauern zuständig ist, ist schwer vorstellbar.

Petrovic: Inhaltlich sind die Bauern vom Klimaschutz nicht zu entkoppeln, ressortmäßig wäre es aber klug. Ich bin realistisch genug, um zu sehen, dass noch viel Zeit vergehen müssen wird, bis es Vertrauen der Bauern in die Grünen gibt. Die ÖVP hat genug getan, dass ich in manchen Gegenden am flachen Land einen dämonischen Ruf habe.

Es ist erstaunlich, was in ÖVP-Postillen über mich behauptet wurde, zum Beispiel, ich möchte die Leute zwangsvegetarisieren. So verrückt es ist, aber das glauben manche Leute. Die niederösterreichischen Bauern wollen und brauchen – und das halte ich für legitim – ein Agrar-Ressort. Realistischerweise wird das ein ÖVP-Ressort sein. Sollte das aber eine Person innehaben wie Landesrat Plank: Mit dem kann man reden. Ich glaube, dass er sich gerne viel weiter in die ökologische Richtung bewegen würde, als das mit dem ÖVP-Mainstream derzeit möglich ist.

STANDARD: Wie kommt man im Sozialbereich gegen die ÖVP an? Maßnahmen wie der Gratis-Kindergarten sind ja sehr populär.

Petrovic: Erwin Pröll vermarktet sich sehr gut, das wissen wir. Er hat auch seine guten und starken Seiten, ich bin die Letzte, die das nicht sieht. Aber im Sozialbereich agiert die ÖVP sehr oft populistisch. Und es kommt immer die ideologische Note hinein, als Konzession an das Althergebrachte. Kindergarten gratis – super, aber das wird beschränkt auf den Vormittag. Dadurch ist ein Elternteil – und das ist fast immer die Mutter – von einer normalen Erwerbstätigkeit ausgeschlossen.

STANDARD: Zum Abschluss ein Gedankenspiel: Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang mit Erwin Pröll die Rolle tauschen könnten?

Petrovic: Solche Gedankenexperimente erlaube ich mir nicht. Ich baue keine Wolkenkuckucksheime, ich will Umweltlandesrätin sein. Da weiß ich sehr genau, was ich tue. Und ich möchte am Ende der fünf Jahre sehen, dass der Riesen-Tanker beginnt, sich zu drehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2008)