Schulden und Geldforderungen, daraus baut die Finanzwirtschaft Kartenhäuser. Die Zentralbanken sehen der Errichtung dieser fragilen Gebäude tatenlos zu, um schließlich zur Kasse gebeten zu werden.

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Der kräftige Anstieg des Goldpreises könnte ein Indiz sein, dass seine Rolle als Fluchtwährung wieder in Betracht gezogen wird, zumindest vorübergehend. Denn Vermögenstitel sind viel stärker angewachsen als die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft selbst. Vermögenstitel wachsen durch Finanzierungsdefizite und höhere Marktbewertungen. Unternehmen müssen ihre Produktion vorfinanzieren. Das ist normal und "gesund". Der Kreditausdehnung folgt eine Zunahme der Produktion. Nicht gesund ist aber, wenn konsumierende Einheiten (Staaten, Konsumenten) über Jahrzehnte hinweg massive Defizite, andere dann entsprechende Überschüsse zulassen, und die Mechanismen eines rechtzeitigen Ausgleichs, wie so oft bei den Geld- und Kapitalmärkten, versagen. So wachsen Geldvermögen, denen ebenso hohe Schulden gegenüberstehen. Und beide wachsen dann deutlich rascher als die Wirtschaft selbst. Beispiele sind die USA als Sauger von Produkten und Dienstleistungen aus aller Welt. Ihre Bruttoverpflichtungen stiegen mittlerweile auf 15.000 Milliarden US-Dollar (BIP der USA 14.000 Milliarden) und damit auf das 10-fache ihrer Exporte an. Dem Saugen der USA steht die Bereitschaft der Welt, Geld in die USA zu tragen, gegenüber.

Ein hoher Ölpreis hilft, da die Überschüsse aus dem Erdölgeschäft irgendwo angelegt sein wollen. Allerdings versanken diese Gelder zum größten Teil im großen Magen des amerikanischen Konsumenten. Er kaufte sich dicke Autos, er baute sich Häuser – wir aber, der Rest der Welt, sparten, allen voran die Chinesen, die bis zu 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens zurücklegen, und wähnen uns, reicher geworden zu sein! Leichtfertigkeit aufseiten der USA! Dummheit auf unserer Seite!

Banken und andere Finanzhäuser nehmen zusätzliche Schulden bei den Zentralbanken, bei anderen Banken oder bei Haushalten auf, um zusätzliche Kredite zu vergeben oder Assets mit höheren Renditen zu kaufen. So wachsen, gebaut aus Forderungs- und Schuldentürmen, Kartenhäuser empor, deren innere Verschachtelungen niemand mehr überblicken kann. Ein Beispiel ist die Aufnahme billiger Kredite in Yen, mit denen höher verzinsliche US-Schatzanweisungen gekauft werden (Zins-Carry-Trade). Japans Staatshaushalt hat einen Schuldenberg im Ausmaß von derzeit etwa 180 Prozent des japanischen BIP. Japan muss die Zinsen tief halten, damit der Staatshaushalt noch finanzierbar bleibt. Damit rechnen die Investoren und finanzieren das Loch in der US-Leistungsbilanz.

So setzt sich der Unsinn des Schulden- und Vermögensaufbaus fort. Solange die Wirtschaft stark wächst und solange die Stimmung auf den Märkten gut ist, halten die leichtfertigen Konstruktionen. Kommt Wind auf, flattern die Nerven, die Hoffnung auf Rettung richtet sich auf die Zentralbanken, die dem Bau dieser Kartenhäuser tatenlos zugesehen hatten.

Gold ist natürlich keine Lösung. Denn es ist knapp. Eine dynamische Marktwirtschaft braucht aber ein Geldsystem, das auf Kredit beruht, freilich vorwiegend denen Kredit gibt, die ihn einsetzen, um ihr produktives Potenzial auszubauen, anstatt Konsumenten zu verführen, ihren Konsum zu erhöhen, oder Spekulanten es leicht zu machen, aus Geld mehr Geld und dadurch nur weiteres Scheinvermögen zu generieren.

Da Gold begrenzt ist, sind Goldwährungen ungeeignet, eine dynamische Wirtschaft zu begleiten. Der jetzige Hype in Gold ist daher nur ein Signal für die Störung der Finanzwelt, nicht Bote einer neuen Ära, in welcher Gold wieder die Rolle von Geld einnehmen wird. Aber so lange der Dollar und mit ihm die Finanzwirtschaft "getestet" werden, solange wird Gold goldige Zeiten erleben. (Raimund Dietz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.02.2008)