Wladimir Putin nannte die Unabhängigkeit des Kosovo einen „ungeheuerlichen“ Präzedenzfall. In Belgrad stößt dies auf offene Ohren. Putins Nachfolger Dmtri Medwedew kommt am Montag nach Belgrad.

* * *

„Russen ziehen in den Krieg für den Kosovo“, „Russland verteidigt den Kosovo“. Ähnliche Schlagzeilen konnte man am Wochenende auf den Titelseiten vieler serbischer Zeitungen lesen. Nationalistische Revolverblätter stellen einen russischen Militäreinsatz in Aussicht, die auflagenstarke Zeitung, Vecernje Novisti, bringt ein großes Interview mit General Leonid Iwaschow, dem Präsidenten der russischen Akademie für geopolitische Probleme.

Die Nato wolle den serbischen Geist brechen, sagt Iwaschow und ruft die serbischen Brüder auf, ihren Geist, Stolz und Hoffnung zu bewahren.

Misstrauen gegen EU

Nach der Unabhängigkeit des Kosovo erwähnt kaum jemand mehr die Integration Serbiens in die Europäische Union. Wenn über die EU gesprochen wird, dann meistens von einer Organisation, der man nicht länger trauen dürfte, weil sie widerrechtlich, ohne einen Beschluss des UNO-Sicherheitsrats eine „Okkupationsmission“ in den Kosovo entsende. Prowestliche Kräfte in Serbien sind in der Defensive.

Nachdem viele EU-Staaten den Kosovo anerkannt haben, läuft man Gefahr, als Verräter gebrandmarkt zu werden, wenn man die Mitgliedschaft Serbiens in der EU befürwortet. Auch Präsident Boris Tadic ist in dieser Frage still geworden.

"Ungeheuerlicher" Präzedenzfall

Russlands Präsiden Wladimir Putin bezeichnete die Unabhängigkeit des Kosovo als einen „ungeheuerlichen“ Präzedenzfall, an dem das gesamte, jahrhundertelang aufgebaute System der internationalen Beziehungen zerfallen könnte. Der Kommentator des russischen staatlichen TV-Senders „Russland“ , Konstantin Semin, kommentierte Freitagabend: Der ermordete serbische Premier, Zoran Djindjic, sei eine Marionette des Westens gewesen und habe eine Kugel verdient. Djindjic habe die legendäre serbische Armee und Sicherheitsdienste vernichtet und dem UN-Kriegsverbrechertribunal serbische Helden für abstrakte Wirtschaftshilfe verkauft. Analytiker meinen, dass dieser Kommentar, der in Serbien helle Aufregung auslöste, gegen den prowestlichen Tadic gerichtet sei. Reaktionen aus Moskau sind bisher ausgeblieben.

Engere Bindung an Russland

Serbiens nationalkonservativer Premier, Vojislav Koštunica, wirft dem Westen eine Politik der Gewalt im Kosovo vor und setzt sich für eine engere Bindung Serbiens an Russland ein. Der gleichen Auffassung ist der Nationalist, Tomislav Nikolic. Er setzte sich sogar für russische Militärstützpunkte in Serbien ein.

Allem Anschein nach hat sich Moskau entschlossen in der Zukunft kräftig auf dem Balkan mitzumischen. Dafür spricht auch, dass der russische Botschafter in Serbien, Alexander Alexejew, wie man inoffiziell in Belgrad erfährt, Putins außenpolitischer Berater werden könnte. Alexejew ist in Serbien durch seine Anwesenheit in extrem nationalistischen Kreisen aufgefallen.

Medwedew in Belgrad

In einer solchen Stimmung kommt am Montag Dmitri Medwedew, Putins Mann für das Präsidentenamt, nach Belgrad. Unterdessen haben sich die Mitglieder der EU-Mission im Kosovo wegen zu hohen Sicherheitsrisikos aus dem serbisch besiedelten Norden vorübergehend zurückgezogen. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD, Printausgabe 25.2.2008)