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In der ORF-"Pressestunde" stellte Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) seine zwei nächsten Vorhaben in den Vordergrund: Steuerreform sowie Gesundheitsreform ab 1. Jänner 2009 - sein Koalitionspartner, Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP), schäumte.

Foto: AP/Zak
SPÖ und ÖVP sind beim Thema Steuerreform hoffnungslos zerstritten. Neuwahlen wolle man dennoch nicht, versichern beide Regierungsparteien. Der Grund: Niemand will an einem vorgezogenen Urnengang schuld sein.

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Wien – Die ÖVP übte sich am Montag in eiserner Selbstdisziplin: Obwohl Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) den Koalitionspartner mit seiner Forderung nach einer vorgezogenen Steuerreform auf 1. Jänner 2009 arg provoziert hatte, verwahrten sich die Schwarzen gegen allfällige Fragen zu Neuwahlen.

Eskaliert werde „nur von einer Seite“, sagte Klubchef Wolfgang Schüssel. „Belästigen wir die Wähler nicht mit irgendwelchen Neuwahlspekulationen“, meinte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Und sein Regierungskollege Johannes Hahn erklärte dem Standard pragmatisch: „Wir wollen arbeiten und nicht hudeln.“ Die „großen Projekte“ der Koalition – Steuerreform wie Gesundheitspaket, um die maroden Krankenkassen zu sanieren – stünden „völlig außer Frage“. Daher solle man dies nicht „jede Woche lizitieren“.

Doch abseits der offiziellen Wortmeldungen konnte man ganz andere Töne hören. „Offenbar provoziert uns die SPÖ so lange, bis wir den Hut draufhauen und die ganze Hütte in die Luft jagen“, ärgerte sich ein ÖVPler, der mit „Hütte“ die Koalition meinte. „Trotzdem lassen wir uns keinesfalls aus der Reserve locken“, lautet der Verhaltenskodex der ÖVP.

SPÖ erstellt Expertenliste

Hintergrund für den Unmut: Mit seiner Forderung nach einer früheren Steuerreform hatte Gusenbauer an einem Tabu gerüttelt. Denn seit dem Zustandekommen der großen Koalition war er sich mit Molterer einig, dass die steuerliche Entlastung erst 2010 in Kraft treten soll. Was die Volkspartei außerdem nervt: Für eine seriöse Reform müsste Molterer sämtliche Budgetdaten für 2009 haben, was aber nicht der Fall ist.

Trotzdem bastelt die SPÖ derzeit an ihrem neu ausgerufenen Budgetfahrplan munter weiter. Bis zum Ministerrat am Mittwoch will die Kanzlerpartei eine Expertenliste für ihre gewünschte Steuerreform-Kommission erstellen. Sie will „sieben bis neun hochrangige Experten“ in das Gremium berufen, wie am Montag aus dem Kanzleramt durchsickerte.

Und auch erste Namen dafür wurden bereits kolportiert. Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl wurde ebenso genannt wie Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien, sowie die zwei Experten vom Wirtschaftsforschungsinstitut, Karl Aiginger und Markus Marterbauer.

Will die SPÖ tatsächlich die Koalition in die Luft sprengen, wie es ihr manche Funktionäre in der Volkspartei unterstellen? Für den Politologen Anton Pelinka steht fest: „Die von Gusenbauer erhobene Forderung nach einer vorgezogenen Steuerreform ist in der Koalition nicht kompromissfähig.“ Und das Problem dabei: Gusenbauer könne jetzt nicht mehr zurück, und Molterer müsse dagegen weiterhin auf seinem Termin 2010 beharren. Ergo „geht“ es für Pelinka „nur mehr um die Frage, wann Neuwahlen stattfinden – und wie das Design des Ausstieges aussehen wird“.

Ähnlich beurteilt der Salzburger Politikwissenschafter Herbert Dachs die Lage der Koalition. Er hält Neuwahlen „jetzt für wesentlich wahrscheinlicher als während vergangener Konflikte in der Regierung“.

Denn die Steuerreform sei für beide Parteien „eine Projektionsfläche, auf der sie ihrer Klientel erfreuliche Nachrichten präsentieren wollen“. Aber die roten und schwarzen Vorstellungen seien „in nahezu keinem Bereich deckungsgleich“. Dachs’ Fazit: „Ein Crash der Regierung“ würde spätestens dann drohen, „wenn die beiden Parteien konkret über eine Steuerreform verhandeln würden“.

Die Politologin Sieglinde Rosenberger gibt wiederum zu Bedenken: „Weder SPÖ noch ÖVP können eigentlich ein Interesse an Neuwahlen haben – die Roten noch weniger als die Schwarzen.“ Seit Jahren gebe es eine Mehrheit rechts der Mitte, daher habe die ÖVP „bessere Perspektiven“ bei der Suche nach etwaigen Koalitionspartnern.

Länder-Druck auf Kanzler?

Was reitet also die SPÖ? Hartnäckig hält sich das Gerücht, einige rote Länderchefs hätten Gusenbauer unter Druck gesetzt, in der Koalition stärker auf den Tisch zu hauen. Der Grund für ihre Forderung: Ein Jahr nach dem Zustandekommen der Regierung konnte Gusenbauer bisher keinen Kanzlerbonus aufbauen, im Gegenteil, nicht nur im Bund auch in den Ländern rutscht die SPÖ in Umfragen kontinuierlich nach unten. Und: In Niederösterreich stehen am 9. März Landtagswahlen an, für die der SPÖ – nach der Grazer Stadtwahl – wieder ein Debakel vorausgesagt wird.

Nach Gusenbauers Steuerreform-Vorstoß stärkten am Montag die roten Landeshauptleute ihrem Kanzler jedenfalls ostentativ den Rücken. „Mir gefällt’s“, lobte Landeshauptmann Franz Voves. „Ich habe mich ja schon vor Weihnachten dafür ausgesprochen“, sagte der Steirer – und goss im Gespräch mit dem Standard zusätzlich Öl ins Feuer. Die Grundzüge der Reform lägen ohnehin bereits „in den Schubladen“ der Regierungsparteien, meinte Voves. Und: „Das benötigt nicht mehr als zwei, drei Monate intensiver Verhandlungen.“ Damit nicht genug, hält der Landeshauptmann auch am „Gusi-Hunderter“ fest, den die ÖVP vehement ablehnt, die SPÖ aber angesichts der Teuerungsrate für sozial Schwache durchbringen will.

Neben Voves verlangten auch die Salzburgerin Gabi Burgstaller und der Burgenländer Hans Niessl, dass die Steuerreform vorzuziehen sei. Niessl ätzte: „Das Nein der ÖVP dazu ist nichts Neues, sie hat bisher zu allen wichtigen Projekten Nein gesagt.“

Im Gegensatz zur ÖVP nahm eine Oppositionspartei die SPÖ am Montag gleich beim Wort: Das BZÖ will bei der geplanten Sondersitzung des Nationalrates am Montag, die von den Grünen wegen der Amtsmissbrauch-Vorwürfe gegen das Innenministerium beantragt wurde, einen Antrag auf Vorziehen der Steuerreform einbringen. Damit können die Roten gleich zeigen, wie ernst sie es meinen, erklärte Parteichef Peter Westenthaler.

Absage an Opposition

SPÖ-Klubchef Josef Cap schlug das Angebot jedoch unverzüglich aus. „Hat er schon seine Abgeordneten gezählt?“, höhnte Cap Richtung Westenthaler. Außerdem befinde man sich in einer „funktionierenden Koalition“. An Neuwahlen habe man kein Interesse, sagten auch die SPÖ-Minister Erwin Buchinger und Doris Bures.

Aber auch die ÖVP hatte Probleme, ihren Kurs zu halten. Bauernbund-Obmann Fritz Grillitsch zeigte sich zunächst beim Steuerreform-Termin gesprächsbereit. Eine knappe halbe Stunde später zog er sein Wort zurück. Offizielle Begründung: „Ich halte nichts von einer Steuerreform auf Pump.“ (DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2008)