Wien - Geteilter Meinung sind die Meinungsforscher und Politologen darüber, ob nach der Forderung von Kanzler Gusenbauer nach einem Vorziehen der Steuerreform auf 2009 nun Neuwahlen vor der Tür stehen. Der Politikwissenschafter Fritz Plasser hält dies noch im Frühjahr für möglich, sein Kollege Peter Filzmaier und die beiden Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer und Fritz Karmasin sind hingegen skeptisch.

Plasser glaubt mit hoher Wahrscheinlichkeit an eine Neuwahl. "Ich kann es nicht genau sagen, aber ich denke, spätestens im Herbst. Ich schließe auch eine Wahl vor Beginn der Euro nicht aus. Es wird sich erst herausstellen, wie die ÖVP reagieren wird. Noch ist dies nicht erkennbar." Die Chancen sieht er für beide Parteien gleich verteilt, da sie sich in einer Patt-Stellung befänden.

Anders sieht das sein Kollege Filzmaier: "Wahlen vor dem Sommer sind unwahrscheinlich. Die SPÖ versucht nun, das Gesetz des Handelns zu ergreifen. Das Agieren war bisher immer ein Defizit, nun hat die SPÖ die Chance, die ÖVP zum Reagieren zu zwingen." Eine agierende SPÖ hätte kommunikationsstrategisch somit einen Vorteil und dies wäre dringend erforderlich. Für ihn sprechen einige Argumente gegen eine Neuwahl, so hätten beide Regierungsparteien Verluste zu befürchten.

Auch OGM-Chef Bachmayer sieht Neuwahlen für sehr unwahrscheinlich an, weil "beide Partner sich fürchten müssen. Keiner der beiden hat eine gute Ausgangsposition." Somit könnte man das Vorziehen der Steuerreform auf 2009 als "Festspiele der Opposition" sehen. "Gusenbauer wird nun zur Flucht nach vorne gezwungen, da der Druck aus den eigenen Reihen sehr groß ist", so Bachmayer.

Ganz ähnlich auch die Einschätzung von Gallup-Chef Fritz Karmasin: "Beide haben sich ziemlich weit vorgewagt, aber keine der Großparteien wird ernsthaft Neuwahlen haben wollen. Die Möglichkeit, die absolute Mehrheit zu bekommen, ist momentan nicht abzusehen." Er denkt allerdings vorrangig an die Bürger: "Sicher ist, dass die Öffentlichkeit von diesem Geplänkel nicht so begeistert ist. Die Menschen wollen eine Regierung, die konsequent arbeitet." (APA)