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Der Platz neben ihm blieb leer: So ehrte Kubas neuer Präsident Raúl Castro im Parlament in Havanna Amtsvorgänger und Bruder Fidel.

Foto: Reuters
Havanna/Wien – Auf Kuba hat sich die alte Garde noch einmal durchgesetzt. Diese Ansicht beherrscht die Reaktionen auf die mit Spannung erwartete Sitzung der Nationalversammlung, die am Sonntag Raúl Castro zum neuen Staatspräsidenten und Regierungschef wählte. Nach Fidel Castros (81) krankheitsbedingtem Rückzug aus diesen Ämtern war die Nachfolge des jüngeren Bruders allgemein erwartet worden.

Überraschend war aber, dass kein einziges neues oder jüngeres Gesicht an die Spitze kam. José Ramón Machado Ventura, nun Kubas Nummer zwei, ist wie Raúl bereits 76 und kämpfte schon in den 50er-Jahren in der Guerilla gegen den Diktator Batista. General Julio Casas Regueiro übernimmt die Streitkräfte, deren weltweit längstdienender Verteidigungsminister Raúl seit 1959 gewesen ist.

Grüße von Chávez bis Rice

Hugo Chávez, linker Präsident des ölreichen Venezuela, versicherte als erster Gratulant, dass seine Unterstützung auch einem von Raúl Castro geführten Kuba gelten werde. US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte Kuba auf, „einen Prozess friedlicher und demokratischer Veränderungen zu beginnen“ und alle politischen Gefangenen freizulassen.

Für die EU kündigte Entwicklungshilfe-Kommissar Louis Michel die Weiterführung des "konstruktiven Dialogs" samt konkreten Verhandlungen Anfang März in Havanna an.

"Erst die Bohnen, dann die Kanonen"

Über die Absichten Raúl Castros glauben Kuba-Experten mittlerweile einigermaßen Bescheid zu wissen. Als Jugendlicher wie sein Bruder von Jesuiten erzogen, trat er anders als dieser frühzeitig in die KP ein und diente diszipliniert und ohne erkennbares Charisma Fidels Revolution. Eigenprofil gewann Raúl nach dem Ende der Sowjetunion, als er Kubas 300.000-Mann-Armee auf 60.000 Soldaten reduzierte und diese mit Erfolg auch für Transportaufgaben und zur Führung von Tourismusunternehmen heranzog. Berühmt wurde sein Ausspruch, dass "erst die Bohnen, dann die Kanonen" kämen.

Kuba-Kenner erwarten, dass er dem Modell Chinas und Vietnams folgen, die Wirtschaft liberalisieren, aber die Machtstrukturen unverändert lassen wolle. Wenn das stimmt, dann ist das ein eher langfristiges Projekt. Bei seiner halbstündigen Rede am Sonntag sagte Raúl Castro lediglich, dass die Verwaltung des Staates effizienter gemacht und einige Einschränkungen, die die Bürger stören, aufgehoben werden sollen.

Jüngere Funktionäre übergangen

Unkommentiert ließ er, dass jüngere Funktionäre wie Außenminister Felipe Pérez Roque (42) und Vizepräsident Carlos Lage (56) bei den Beförderungen ebenso übergangen wurden wie Ricardo Alarcón (72), der Parlamentspräsident. Alarcón war kürzlich bei einer Uni-Diskussion von einem Studenten offen dafür kritisiert worden, dass es keine freie Ausreise und nur eingeschränktes Internet gibt. (Gerüchte, der 21-jährige Eliézer Ávila sei danach verhaftet worden, wurden dementiert.)

In Blogs im Internet tauschen junge Kubaner Ansichten und Beobachtungen nun ziemlich offen aus. Auf www.desdecuba.com erinnert Reinaldo Escobar, der sich als unabhängigen Journalisten bezeichnet, daran, dass Fidel weiterhin Erster Sekretär der KP bleibe, der laut Artikel 5 der Verfassung die "oberste Führung" von Staat und Gesellschaft zustehe. Die verbreitete Ansicht, Fidel habe sich von der Rolle des "Oberkommandierenden" auf die des "Oberkommentators" von Kuba zurückgezogen, könnte also verfrüht sein. (Erhard Stackl, DER STANDARD, Printausgabe 26.2.2008)