Vizekanzler Molterer trat allein vor die Journalisten.

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Für Verstimmung sorgte auch ein "gemeinsamer" Ministerratsvortrag, von dem die ÖVP nichts gewußt haben will.

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Wien – "Wir sind gewählt worden und werden gut bezahlt, aber nicht für eine Show." Innenminister Günther Platter war am Mittwoch nach der Regierungssitzung sichtlich empört. Stundenlang war es der rot-schwarzen Regierung nicht gelungen, eine Annäherung bei den Themen Steuerreform und Teuerungsausgleich zu erreichen. Erstmal seit Antreten der Regierung im Jänner 2007 gab es nach dem Ministerrat getrennte Pressekonferenzen von Kanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer. Das Misstrauen in der Regierung scheint mittlerweile unendlich groß. Die Mitarbeiter der Minister ziehen vor der versammelten Presse unverhohlen über die Unfähigkeit des jeweils anderen her. "Das ist ja alles nicht mehr wahr, was da drinnen passiert", höhnte etwa ein Schwarzer. Wissenschaftsminister Johannes Hahn sagte genervt zum ständigen Koalitions-Hickhack: "Mir geht das alles schon auf den Keks."

Neinsager bei ÖVP

Im Kern dreht sich der Streit weiter um das Thema Steuerreform. Gusenbauer beharrte auf der seit letzten Sonntag gültigen SPÖ-Linie, wonach die Steuerreform von 2010 auf 2009 vorgezogen werden soll. "Wenn sich die wirtschaftliche Lage ändert, dann muss sich auch der Plan ändern." Es stelle sich für ihn die Frage, "wie lange die ÖVP bei ihrer Neinsagerposition bleibt". Mit Neuwahlen wollte Gusenbauer auch auf Nachfrage nicht liebäugeln: Wenn es nach ihm gehe, dann werde "gearbeitet und nicht gewählt". Schließlich würden die Probleme "durch Wahlen nicht weniger".

Molterers Konter wenige Minuten später: "Man darf kurzfristigen Gefühlswallungen nicht langfristige wirtschaftspolitische Prinzipien opfern." Die Steuerreform müsse 2008 und 2009 erst erarbeitet werden. "Wir wollen nicht mit der einen Hand geben und mit der anderen gleichzeitig wieder nehmen." Am Arbeitswillen der SPÖ zweifelte der Vizekanzler: "Wenn Gusenbauer Neuwahlen will, dann soll er es sagen."

Für zusätzlichen Ärger sorgte, dass die SPÖ am Dienstagabend einen angeblich gemeinsamen Ministerratsvortrag für eine Steuerreform 2009 an Medien ausschickte (siehe Melange). Da das Papier nicht mit der ÖVP abgesprochen war, sprach ÖVP-Regierungskoordinator Josef Pröll von einem "klassischen Leger". Die Schwarzen brachten daraufhin einen eigenen Antrag im Ministerrat ein. Der Inhalt: Die Steuerreform solle – wie ursprünglich ausgemacht – mit 2010 in Kraft treten. Dem konnte naturgemäß die SPÖ nicht zustimmen, weshalb auch keine Steuerreform-Kommission eingesetzt wurde, von deren Notwendigkeit eigentlich beide Parteien überzeugt sind.

Ebenfalls keine Fortschritte konnte beim Inflationspaket erzielt werden. Die SPÖ fordert angesichts der hohen Inflation eine Einmalzahlung von 100 Euro für Kleinverdiener. Die ÖVP zeigte sich am Mittwoch erstmals gesprächsbereit und bot 50 Euro für Bezieher eines Heizkostenzuschusses an. Davon würden rund 120.000 bis 150.000 Personen profitieren. Der SPÖ war das aber zu wenig. Sie will die 100 Euro für rund 1,2 Millionen Menschen.

SPÖ "betreibt Eskalation"

Ebenfalls abgeblitzt ist Sozialminister Erwin Buchinger mit seinem Entwurf für die geplante Mindestsicherung. Wie es nun angesichts der Blockade in der Koalition weitergehen soll, blieb unklar. Molterer war aber bei der Ursachenforschung eindeutig: Eine gute Regierungsarbeit sei nicht möglich, wenn auf anderer Ebene – gemeint war der Untersuchungsausschuss zum Innenministerium – "eine Eskalationsstrategie betrieben wird". Einziger Konsenspunkt am Mittwoch: Für rund 3300 Opfer des Nazi-Regimes, Widerstandskämpfer sowie deren Angehörige, wurde eine Einmalzahlung von 1000 Euro beschlossen. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2008)