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Wien - Erstmals seit Tagen waren am Donnerstag wieder einige Versöhnungsangebote zwischen den Koalitionsparteien zu hören: Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) legte einen rot-schwarzen Kompromissvorschlag zur Steuerreform vor, deren Inkrafttreten die Roten gegen den Willen der Schwarzen auf den 1. Jänner 2009 vorverlegen wollen. Man möge die Entlastung für die Steuerzahler doch zeitlich staffeln, regte Burgstaller an.

Auf ÖVP-Seite schlug der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger weichere Töne an. Er plädierte für einen "Neustart" der Koalition. "Wir stellen uns neu auf, nehmen die Probleme in Angriff, die wir haben", schlug Spindelegger in Bezug auf die Inflationsbekämpfung und Steuerreform vor.

Nur ein Interview mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) in News drohte die zart geknüpften Friedensbande wieder zu zerreißen. Dort stellte er eine neue Bedingung. "Die Grenze ist erreicht, wenn ich von der ÖVP nur noch ein Wort höre: Nämlich nein, damit ist kein Staat zu machen." Doch die ÖVP wollte sich nicht aus der Reserve locken lassen, obwohl Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) bei der Steuerreformdebatte nicht vom ursprünglich vereinbarten Termin 2010 abrücken will.

Gusenbauer war es auch gewesen, der bei seinem Auftritt in der "Pressestunde" am Sonntag die Gangart gegenüber der ÖVP verschärft und vom Koalitionspartner neben der Steuerreform auch gleich die Gesundheitsreform per 1. Jänner 2009 eingefordert hatte. Dadurch entstand in der Koalition, die sich ohnehin seit ihrem Bestehen als ein leicht irritierbares Gefüge herausgestellt hat, enormer Wirbel - der nun mühsam wieder unter Kontrolle gebracht werden muss, denn Neuwahlen will zumindest niemand "verschulden".

Trotz erster ostentativer Versöhnungsangebote wälzen die beiden Großparteien hinter den Kulissen doch Krisenszenarien, um sich gegen einen etwaigen Regierungsausstieg des Koalitionspartners zu wappnen. Ein hochrangiger ÖVPler, der nicht genannt werden will, sagte: "Bis Mitte März entscheidet es sich, ob es Neuwahlen gibt." Vor der Niederösterreich-Wahl am 9. März würden sich beide Parteien hüten, einen Koalitionsbruch herbeizuführen.

Dem Vernehmen nach wurde auch die Hofburg bereits von den Parteispitzen wegen des anhaltenden Koalitionskrachs eingeschaltet. Offiziell will das der Sprecher von Bundespräsident Heinz Fischer aber nicht bestätigen. Bruno Aigner sagte im Gespräch mit dem Standard: "Es gibt laufende Kontakte, aber wir werden nicht über jeden Kontakt die Medien informieren." Nachsatz: "Sonst wird die Sache noch komplizierter."

Bitte zu Tisch in der Hofburg

Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass das Staatsoberhaupt unmittelbar nach der Niederösterreich-Wahl die Parteichefs Gusenbauer und Molterer für ein Arbeitsessen zu sich holen will. Als Termin dafür wird der 10. März kolportiert.

Bis dahin wird wohl Politik à la Mikado gemacht: Wer sich zu ruckartig und unkontrolliert bewegt, verliert. Will heißen, als Verlierer gilt in der Öffentlichkeit derjenige, der die Wähler vorzeitig zur Wahl holt. Und früher zu wählen kommt beim Wahlvolk nicht so gut an. Eine Mehrheit der Österreicher ist ja auch gegen Neuwahlen, und das wissen die Parteien. Ein SPÖ-Politiker formuliert es so: "Vor Neuwahlen hat jeder einen heiligen Spundus" - aber es gibt dazu auch ein "Aber", das den Leidensdruck in der rot-schwarzen Koalition anzeigt: "Aber jeder weiß auch, dass es so nicht weitergehen kann." Also gilt für SPÖ und ÖVP: die Forderungs- oder Provokationsdosis für den Koalitionspartner ganz vorsichtig dosieren und mögliche Risiken und Nebenwirkungen mitbedenken.

Dass die SPÖ tatsächlich jetzt Neuwahlen ausrufen wird, schloss ein Roter am Donnerstag aus - zumindest "aus derzeitiger Sicht". Natürlich sei die Lage in der großen Koalition angespannt, aber man erhoffe sich "ein reinigendes Gewitter" in der ÖVP, damit diese in inhaltlichen Fragen in die Gänge komme.

Immerhin, werden die Roten nicht müde zu betonen, gehöre sowohl das Finanz- als auch das Gesundheitsressort der ÖVP - die schwarzen Minister Wilhelm Molterer und Andrea Kdolsky seien gefordert, Konzepte auf den Tisch zu legen. Wer hinter der derzeitigen "Neinsager-Haltung" der ÖVP steckt, ist für die SPÖ klar: "Wolfgang Schüssel fährt den Karren an die Wand", ist man bei den Roten überzeugt. Die Schwarzen hingegen beklagen, man wisse gar nicht mehr, mit wem man beim Koalitionspartner reden solle: Regelrechte "interne Kämpfe" würden in der SPÖ ausgetragen, ist man in der ÖVP überzeugt. Das führe natürlich dazu, dass "das Vertrauen angeknackst ist".

Man scheint sich in der Regierung aber der Tatsache bewusst zu sein, dass SPÖ und ÖVP auch nach Neuwahlen zum gemeinsamen Regieren verdammt sein könnten: "An der Patt-Situation wird sich nicht viel ändern", mutmaßt man in Regierungskreisen. Keine der Großparteien würde profitieren, meint auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina.

Strache liebäugelt mit SPÖ

Für den Fall, dass das rot-schwarze Zweckbündnis doch vor dem am Papier geplanten offiziellen Ende beendet werden sollte und daher die Suche nach einem neuen Regierungsabschnittspartner akut werde, bot sich FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache am Donnerstag als möglicher Partner an. Wenn er sich etwas wünschen dürfte, wären ihm die Roten am liebsten. Warum? "Weil sie uns charmanter angelogen haben."

Allerdings war auch der Chef der Freiheitlichen bemüht, nicht als Neuwahl-Anhänger dazustehen. Die FPÖ lehne eine vorgezogene Wahl zwar ab, habe aber den Glauben daran verloren, dass sich Rot-Schwarz "noch auf den Wählerauftrag besinnt", darum das Angebot zur Partnerschaft. (hei, pm, nim, nw/DER STANDARD, Printausgabe, 29.2.2008)