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Professor Mohammed Massalha, der an der Al-Kuds-Universität Israel-Studien unterrichtet, mit Studenten.

Foto: AP //Sebastian Scheiner
Abu Dis - Während der Muezzin der nahen Moschee zum Gebet ruft, diskutiert eine Gruppe Palästinenser die Geschichte Israels. Sie sind an der Al-Kuds-Universität im Westjordanland für Israel-Studien eingeschrieben. Das Programm, nach eigenen Angaben der erste derartige Studiengang in der arabischen Welt, hat sich als voller Erfolg herausgestellt. Manche Studenten wollen dabei mehr über den "Feind" erfahren, andere glauben, dass mit dem Wissen über Israel die Chancen für einen Frieden steigen.

Prominente Absolventen

Derzeit sind 120 Teilnehmer für den zweijährigen Masterstudiengang eingeschrieben. Studenten stehen Schlange für Kurse, in denen sie etwas über Israels Wirtschaft, seine Streitkräfte oder die Rolle der Frauen in der israelischen Gesellschaft lernen. Zu den Absolventen gehören einige prominente Palästinenser, darunter der ehemalige Sicherheitschef im Gaza-Streifen Mohammed Dahlan und der ehemalige Sicherheitschef des Westjordanlandes Jibril Rajoub.

Die wenigsten Teilnehmer waren jemals selbst in Israel. Vom Fenster aus können sie die Sperrmauer sehen, mit der sich Israel nach eigenen Angaben vor palästinensischen Selbstmordattentätern schützen will. Dennoch beschäftigt viele der Studenten die Frage, wie es wohl in Israel so ist. "Die Studenten haben natürlich unterschiedliche Beweggründe, aber ich denke, dass die meisten (...) eine Koexistenz mit Israel befürworten", sagt der Rektor der Al-Kuds-Universität, Sari Nusseibeh, ehemaliger Jerusalem-Beauftragter der palästinensischen Regierung, der seit langem zu einem friedlichen Dialog mit Israel aufruft und den Studiengang ins Leben gerufen hat.

"Israel war mir ein Rätsel"

Sameh Khader, ein 31-jähriger Beamter, hat sein Studium aus purer Neugier begonnen. "Israel war mir ein Rätsel", sagt er. Das Studium sei für ihn eine Art Entdeckungsreise. Die Palästinenser könnten in Sachen Staatsgründung von ihren Nachbarn lernen, sagt er: "Es geht nicht darum, den Feind kennenzulernen." Solche Ansichten sind unter den vier Millionen Palästinensern im Westjordanland und im Gaza-Streifen selten. Ihr täglicher Kontakt mit Israelis ist häufig beschränkt auf das Aufeinandertreffen mit schwer bewaffneten Soldaten.

Viele der Studenten haben es daher schwer, während des Studiums ihre täglichen Frustrationen zu vergessen. Abir Warida aus Hebron beispielsweise wurde von ihrer Familie dazu angehalten, sich für den Studiengang einzuschreiben, um "Israel-Expertin" zu werden. Der Grund: Sieben Brüder der 23-Jährigen befinden sich in israelischer Gefangenschaft, das Haus ihrer Familie wurde zerstört, und sie macht die israelische Regierung für den Tod ihres Vaters verantwortlich.

Warida sagt, sie möchte etwas über Israel lernen, um ihr Wissen an die kommende Generation von Palästinensern weiterzugeben und diese vor Israel zu warnen. Aus dem gleichen Grund hat sich Mohammed Ilias für das Programm eingeschrieben. "Ich glaube, dass der Konflikt noch lange andauern wird und dass man wissen sollte, wogegen man kämpft", sagt Ilias, der 15 Jahre in israelischer Haft verbracht hat. "Es ist wichtig, ihre Geschichte zu kennen, ihre Denkstrukturen."

Manchen Studenten hat das Programm jedoch auch geholfen, ihre tiefsitzende Abneigung gegen Israel zu überwinden. Die 23 Jahre alte Rasha Rabaieh aus Bethlehem sagt, sie habe sich eingeschrieben, "um den Feind zu kennen und zu verstehen, wieso sie hierher kamen." Während ihres Studiums hat sich ihre Feindseligkeit jedoch verringert: "Ich hatte ein Bild von Israel als einem Feind, aber nun fühle ich weniger Hass", sagt sie.

Unabhängig von den Motiven der Studenten beurteilt Shlomit Keren, der Leiter des Programms für Israel-Studien an der Universität von Calgary, das Konzept des palästinensischen Studiengangs durchweg positiv. "Sobald man seine Weltanschauungen auf Wissen aufbaut, ist das eine willkommene Entwicklung", sagt Keren. Und Khader, der Beamte, glaubt, die Intentionen seiner meisten Kommilitonen seien positiv. "Bildung kennt keine Feinde", sagt er. "Unkenntnis ist die größte Gefahr." (Aron Heller/AP)