New York/Wien - Die 1999 verabschiedete Kosovo-Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates, in der die territoriale Unversehrtheit des serbischen Staates verankert ist, enthält die ausdrückliche Bestimmung, dass sie weiter gilt, bis der Sicherheitsrat eine andere Entscheidung getroffen hat. Darauf stützen sich die Vetomächte Russland und China. Mehrere Gründe sprechen gegen die westliche These der Hinfälligkeit dieser Resolution, wie das ehemalige deutsche Mitglied der UNO-Völkerrechtskommission Christian Tomuschat, emeritierter Professor für öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Berliner Humboldt-Universität, unterstrichen hat.

"Bis zu einer endgültigen Einigung mit der serbischen Regierung wird der Konflikt weiterschwelen, denn die Gründe, die für den Erlass der Resolution maßgebend waren, bestehen fort", schrieb der Völkerrechtler im Berliner "Tagesspiegel". Die einseitige Ausrufung der Unabhängigkeit sei nicht mehr aus der Welt zu schaffen. "Ein Sezessionsverbot enthält das Völkerrecht nicht; von dorther betrachtet ist eine Sezession ein rein faktischer, interner Vorgang. Die Frage lautet aber, ob dritte Staaten berechtigt sind, das neu proklamierte Staatswesen anzuerkennen und damit die Abspaltung zu legitimieren."

"Eigenständigkeit beruht auf Macht der UN-Missionen

Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist es unzulässig, die Abspaltung von Teilen eines souveränen Staates aktiv zu unterstützen. Eine vorzeitige Anerkennung vor der Konsolidierung des neuen Staates gilt als verbotene Intervention in die inneren Angelegenheiten des betroffenen Landes. "Kosovo ist zwar mittlerweile konsolidiert, denn seit fast neun Jahren führt er eine eigenständige Existenz. Aber diese Eigenständigkeit beruht weitgehend auf der rechtlichen wie auch tatsächlichen Macht, die dort die beiden durch die Resolution 1244 geschaffenen UN-Missionen ausüben: die militärische Präsenz KFOR unter Leitung der NATO und die Zivilpräsenz UNMIK unter unmittelbarer Leitung der Vereinten Nationen."

"Es muss also nach einer zusätzlichen Rechtfertigung (für die Anerkennung, Anm.) gesucht werden. Das ehemalige Jugoslawien hat in den Jahren 1990 bis 1999 unter der Regierung (von Präsident Slobodan) Milosevic in der abtrünnigen Provinz eine verheerende Politik der gewaltsamen Unterdrückung geführt. Die Gewalttaten erreichten 1998 und 1999 ein derartiges Ausmaß, dass sich das NATO-Bündnis im März 1999 zur militärischen Intervention entschloss. Den Gipfelpunkt maßloser Willkür bildete die von der serbischen Führung kurz nach Beginn der NATO-Angriffe getroffene Entscheidung, die gesamte albanische Bevölkerung zu vertreiben. Eine solche Politik von Völkermord und 'ethnischer Säuberung' gehört zu den schwersten völkerrechtlichen Verbrechen", unterstreicht Tomuschat. Für solche "Extremfälle der Negierung elementarer Menschenrechte und Staatsbürgerrechte" habe die UNO-Generalversammlung im Konsens anerkannt, dass die Einheit des Staates nicht das oberste Leitprinzip sein müsse. Sie gewährt damit ein Sezessionsrecht als Form des Widerstandsrechts." (APA)