Ernährungswissenschafterin Britta Macho und Internist Meinrad Lindschinger: "Tiefkühlkost und Kantinenessen sind nicht das Problem."

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Foto: AMA/Richtlinien zur Kinderernährung
Salzburg – Dass zu viel Wurst, Leberkäse, Pommes oder Schnitzel nicht den Anforderungen an eine gesunde Kost entsprechen ist bekannt. Aber auch weniger Bekanntes findet man in den "Aktuellen Richtlinien zur Kinderernährung". So rät das Expertenteam von Light-Produkten aller Art ab: Diese enthielten zwar weniger Fett, dafür aber mehr Kohlenhydrate, und seien daher "wie Süßigkeiten zu behandeln".

Unsicherheit ist groß

"Mütter sind natürlich sehr bemüht, ihren Kindern gutes Essen zu geben, haben aber über weite Bereiche verlernt, mit Lebensmitteln umzugehen und Kinder bedarfsgerecht zu ernähren", so der Internist Meinrad Lindschinger, der in Laßnitzhöhe das Institut für Ernährung und Stoffwechselerkrankungen leitet.

Es gelte, einer großen Unsicherheit entgegenzuwirken, sagt er aus seiner täglichen Erfahrung, denn: "Gleichzeitig haben wir nie so viele Lebensmittel zur Verfügung gehabt wie jetzt, aber auch noch nie so viele ernährungsabhängige Erkrankungen." Zusätzlich gäbe es so viele Vorurteile gegenüber verschiedener Lebensmittelgruppen: "Das ist oft so katastrophal, dass dann so gesund gelebt wird, dass es schon wieder krank ist."

Vegane Ernährung ist nichts für Kleinkinder

Etwa, wenn es um den Trend des veganen Lebensstils geht. Davon sei bei Kleinkindern dringend abzuraten, heißt es in den Richtlinien. Der Mensch verfüge über keine Eiweißreserven, deshalb hätten gerade Kinder einen hohen Bedarf, der aus pflanzlichen Quellen allein nicht gedeckt werden kann. Auch der weniger radikalen vegetarischen Variante stehen die Experten kritisch gegenüber: Diese Ernährungsweise sei im Kindergartenalter "nur unter genauer Beobachtung der Zusammensetzung und bei genauer Kontrolle des Kindes bedarfsdeckend." Seine Kollegin Britta Macho sieht vorallem "Süßes" als Problem.

Intensiveres Geschmacksempfinden

Das Zuviel an Zucker sei einer der verbreitetsten Fehler in der Kinderernährung, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Macho, die ebenfalls an den Richtlinien mit gearbeitet hat: "Man wird meist von früher Kindheit an auf Süßes geprägt, weil Eltern das nicht anders gelernt haben." Soll heißen: Erwachsene könnten es sich nicht vorstellen, dass ein Getreidebrei einem Kleinkind auch ohne Zucker schmecken kann, denn: "Viele Eltern gehen von ihrem eigenen Geschmackempfinden aus, das der Kindern ist es aber viel intensiver."

Lob für Tiefkühlware

Fertigprodukte sind für Britta Macho vielfach besser als ihr Ruf: "Es gibt welche, die absolut in Ordnung sind. Wichtig ist auch, sie mit frischen Zutaten aufzupeppen. Ich kann mir zum Beispiel eine Tomatensuppe aus dem Packerl machen und dann noch frische Tomaten oder Kräuter hineingeben." Auch Meinrad Lindschinger findet lobende Worte für Tiefgekühltes: "Die Nährstoffschonung bei Gemüse ist da eine der besten. Das könnten Sie zu Hause nie so hinkriegen, weil sie einfach nicht die technischen Möglichkeiten haben, derart schnell schockzugefrieren, dass auch die Zellsubstanz einfriert."

Erlebniswelten schaffen

Nicht zuletzt spielt aber auch die Vorbildfunktion der Eltern eine wichtige Rolle, sagt Macho – etwa was das Obstangebot betrifft: "Ein Kleinkind nimmt sich keinen Apfel und beißt hinein wie ein Erwachsener, sondern will das portionsgerecht hergerichtet haben, möglichst vielleicht noch lustig angerichtet, als Gesicht zum Beispiel. Es will Geschichten darum haben, eine Erlebniswelt. So wie halt in der Werbung die ganzen anderen Kinderlebensmittel als Erlebniswelt dargestellt werden."

Bei Kinderärzten und Apotheken erhältlich

Die präsentierte erste Auflage der Richtlinien gelte für die Altersgruppe von ein bis sechs Jahren: "Der große Fehler liegt darin, dass Eltern ihre Kinder ab dem Zeitpunkt, wo sie Zähne haben und stehen können, mehr oder weniger genauso ernähren, wie sie sich selber ernähren. Das ist aber falsch. Kinder haben einfach noch andere Bedürfnisse", betont Stephan Mikinovic von der Agrarmarkt Austria Marketing (AMA), die die Broschüre im vorigen Jahr bei drei Kinderärzten, einem Internisten und einer Ernährungswissenschaftlerin in Auftrag gegeben hat.

Die Broschüre wird daher an alle Kinderarztpraxen verteilt und soll auch in Apotheken aufliegen. Schulbuffets und Kindergartenküchen gehören ebenfalls zur Zielgruppe, die Gastronomie dagegen nicht. (Markus Peherstorfer, derStandard.at/Gesundheit)