Das tief verankerte Gesetz der sozialen Reziprozität, das Wie-du-mir-so-ich-Dir, wird im gegenwärtigen Berufsalltag permanent gebrochen: Arbeitstiere verausgaben sich in ihrer Arbeit, bekommen aber nicht genug zurück. Sei es Geld oder – viel häufiger – Anerkennung. Wertschätzung und Anerkennung fehlen den Leuten durch die Bank, das zeigen Blogs, Postings, dazu braucht man sich nur im Bekannten- und Kollegenkreis ein bisschen umhören.

Interessant dazu auch, dass in der aktuellen Mitarbeitermotivationsstudie von Mercer der Wunsch nach "Respekt" global an erster Stelle steht. "Gratifikationskrise" nennt es die Wissenschaft, wenn im Belohnungszentrum im Gehirn Enttäuschungsstress entsteht. Der entsteht, wenn Belohnung durch Anerkennung nicht stattfindet. Beobachten lässt sich das: Seit Depression, Angststörungen, Suchterkrankungen erhoben werden, nehmen sie zu und sind eigentlich ein Massenphänomen geworden. Mittlerweile versucht man dem ja auch statistisch unter dem Titel „wirtschaftliche Kosten“ näherzukommen.

Psychosoziale Belastungsfaktoren sind (noch) schwer zu benennen, gelegentlich werden sie von Firmen mit toll klingenden Angeboten zur Work-Life-Balance überdeckt. Wirklich heilsam scheint dieser Trend ja nicht zu sein. Zumindest machen diese Angebote nicht wett, wenn sich Vorgesetzte über die Abwertung ihrer Mitarbeiter selbst erhöhen, wenn das Gefühl der Austauschbarkeit und der Unsicherheit am Arbeitsplatz zunimmt und dazu noch die konjunkturelle Rute im Fenster steht.

Führung ist insgesamt ein hochanstrengender Dienstleistungsjob. Chefs, deren Selbstverständnis damit nicht zusammenpasst, sind nicht nur falsch am Platz, sondern können sogar schädlich sein. „Wirtschaftliche Folgekosten“ für die Allgemeinheit werden ja immer konkreter. Persönlichkeitsentwicklung für Führungskräfte muss also ein zentraler Ausbildungspunkt sein. (Karin Bauer,DER STANDARD; Printausgabe, 1.3./2.3.2008)