Christoph Leitl hat das Kunststück geschafft, in aufgeheizten Koalitionszeiten beiden Streit-Parteien den Eindruck zu vermitteln, dass beide recht haben. Quasi als personifiziertes Kompromissangebot für SPÖ und ÖVP: Die Zauberformel, die der Wirtschaftskammerpräsident in der ORF-„Pressestunde“ deponierte, lautete „Arbeiten ist jetzt angesagt und nicht streiten“. Das klingt immer schön und provoziert selten Widerspruch.

Leitls Zusatz „Neustart statt Neuwahlen“ dürfte auch den meisten Koalitionspolitikern nach diversen Vorfällen mit Affären-Potenzial in der roten (Bawag-Kisten im Keller) und der schwarzen (Strasser-Mails an Freunde) Hemisphäre gut gefallen haben. Sein Rezept zur Verhinderung ungewollter Neuwahlen: den Begriff Neuwahlen bitte aus dem politischen Vokabular streichen. Dass der ÖVP-Politiker dann noch an „die Vernünftigen“ in beiden Regierungslagern appellierte, war von diesen auch schwer schlecht zu finden. Und dass er ein Arbeitsprogramm für das Jahr 2008 empfahl, und mehr Koordination zwischen Rot und Schwarz, schien auch nicht zu missfallen.

"Was vor Wie"

Inhaltlich konzentrierte sich Leitl auf das aktuelle Streitthema Steuerreform. Er rät der Regierung, den „unsäglichen Streit über den Termin“ doch bitte an den Schluss und die Diskussion über Inhalte an den Beginn zu stellen – Motto: „Was vor Wie“. Bis Sommer sollten die Eckpunkte für die Gesundheits-, bis Jahresende die für die Steuerreform, die der Kanzler ja gemeinsam 2009 ins Ziel gebracht haben möchte, feststehen, sagte Leitl. Dass er selbst 2010, den ursprünglich vereinbarten Termin, goutiert, sagte er nicht explizit.

Diese terminlose Aussage interpretierte SP-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina als „Diskussionsbereitschaft, die sich wohltuend von den Njets der ÖVP-Spitze abhebt“. VP-Generalsekretär Hannes Missethon sah in Leitl einen, der „die Politik der Vernunft“ der ÖVP unterstütze.

"Einer der letzten Vernunftbegabten"

Grünen-Wirtschaftssprecher Werner Kogler erblickte in Leitl „einen der letzten Vernunftbegabten in der Umgebung der Koalition“, die sich aber „längst nicht mehr durchsetzen“ könnten. FPÖ (Mittelstandsentlastung) und BZÖ (sofortige Steuersenkung) bekräftigten ihre Linie.

Einer scherte aus der Leitl-Zustimmungsfront aus: ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer, Leitls wichtigster Sozialpartner, will, dass die Gesundheits- und die Steuerreform pünktlich zur Jahresmitte erarbeitet sind und 2009 in Kraft treten. (nim, DER STANDARD, Printausgabe 3.3.2008)