Nach der Wahl 2006 dachte die SPÖ-Spitze einige Zeit über eine Minderheitsregierung unter Duldung von FPÖ und Grünen nach, um einer großen Koalition mit der ÖVP zu entgehen. Alfred Gusenbauer war kein besonderer Fan dieser Lösung, er schloss sie aber auch nicht aus. Der Plan scheiterte daran, dass die Grünen öffentlich erklärten, sie würden da nicht mitmachen und Bundespräsident Heinz Fischer inoffiziell verlauten ließ, er würde eine Minderheitsregierung nicht angeloben.

Nun stehen wir vor einer ähnlichen Situation. Die große Koalition ist moribund, beide Partner halten nach Alternativen Ausschau. Für die SPÖ bedeutet das eine Grundsatzfrage, nämlich inwieweit man sich mit der Strache-FPÖ einlassen kann. Oder anders herum: ist Gusenbauer Strache-sicher?

In zynisch-machiavellistischer Betrachtung muss die Antwort „nein“ lauten, weil unter Umständen die Machterhaltung nur mit einer Zusammenarbeit mit der FPÖ möglich ist. Dazu gibt es noch eine Reihe von Handlungen, die als Indiz für eine Annäherung von SPÖ und FPÖ interpretiert werden können: Vor einem Jahr wählten FPÖ, BZÖ, Grüne und SPÖ die neue ORF-Führung. Der Eurofighter-Untersuchungsausschuss wurde in dieser Konstellation beschlossen, ebenso der jetzige U-Ausschuss zur Causa Innenministerium.

Das kann man noch als taktisches Verhalten interpretieren. Schwerer wiegt die Weigerung Gusenbauers, die „Wehrsport“-Vergangenheit von Heinz-Christian Strache im neo-nazistischen Dunstkreis klar zu verurteilen. „Jugendsünden“ seien das, aus denen man Strache „keinen Strick drehen dürfe“. Das ist ein beachtliches Signal angesichts der Tatsache, dass die FPÖ wegen ihrer mangelnden Distanz zum Rechtsextremismus für alle Demokraten tabu sein müsste.

Von einem Politiker wie Gusenbauer, der immerhin die eigenen „braunen Flecken“ in der Nachkriegs-SPÖ aufarbeiten ließ, hätte man anderes erwartet. Es ist ja auch schwer vorstellbar, dass der Radikalismus der FPÖ in der „Ausländerfrage“ keine Rolle spielen soll. Jedenfalls wartet man noch auf eine klare Aussage Gusenbauers des Inhalts: mit dieser FPÖ nicht!

Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass diese Haltung – ebenso wie das berühmte Spargelessen mit Jörg Haider – rein taktisch sein kann. Gusenbauer will damit eben der ÖVP signalisieren, dass er ihr nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.

Gusenbauer hat sicher schwerste innere Vorbehalte gegen eine Koalition mit der FPÖ; allerdings ist es immer denkbar, dass in einer bestimmten Situation eine Eigendynamik entsteht, wo Bedenken dann über Bord gehen. Allerdings würde nach der gegenwärtigen Mandatsverteilung eine Koalition mit der FPÖ noch keine Mehrheit ergeben, die Grünen müssten mit dabei sein. Das ist jedoch auszuschließen.

Als Äußerstes wäre eine gemeinsame Duldung einer SPÖ-Minderheitsregierung durch FPÖ und Grüne denkbar – darauf würde sich Gusenbauer wohl doch einlassen. Ob allerdings die Grünen diesmal im Gegensatz zu 2006 mitmachen würden, ist höchst fraglich. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass die Grünen bisher nur mit Schwarzen in eine Landes- und Stadtregierung eingetreten sind (Oberösterreich und jetzt Graz).

Also Duldung durch die FPÖ ja, offizielle Koalition ziemlich sicher nein – das dürfte die Haltung Gusenbauers zu Strache und Co einigermaßen korrekt beschreiben. Ein Rest von Unsicherheit bleibt aber. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2008)