Warschau - "Wir möchten gerne Deutschlands Präsidenten Horst Köhler nach Skierbieszów einladen", sagt Dariusz Pawlos, der neue Chef der Warschauer Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung im Gespräch mit dem STANDARD. "Natürlich wissen wir, dass es für Köhler sehr schwer sein muss, in seinen Geburtsort zurückzukehren. Aber für uns Polen wäre es so etwas wie der Kniefall Willy Brandts vor dem Denkmal des Ghettoaufstandes in Warschau."

Skierbieszów nämlich ist einer der Orte Polens, die als "Sonderlaboratorium der SS" in die Geschichte eingingen. Von 1942 bis 1944 siebte die SS rund um das Renaissancestädtchen Zamosc die polnische Bevölkerung nach rassischen Gesichtspunkten, schickte die einen zur Zwangsarbeit nach Deutschland, die anderen in KZs und Arbeitslager, ermordete viele an Ort und Stelle. Von der Bauernfamilie, die den Köhlers aus Bessarbien Platz machen musste, kamen fast alle im KZ Auschwitz um.

"Die Köhlers können nichts dafür", versichert Pawlos. "Wir wissen das. Auch in Skierbieszów wird niemand Köhler einen Vorwurf machen." Die Stiftung, die in den letzten Jahren an über 480.000 Naziopfer und ehemalige Zwangsarbeiter knapp eine Milliarde Euro an deutschen Entschädigungsgeldern auszahlte und danach noch ein soziales Hilfsprogramm für rund 200.000 Opfer realisierte, setzt nun verstärkt auf Bildung und Forschung. "Natürlich bleibt die humanitäre Hilfe für die Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge unsere Hauptaufgabe", erklärt der 38-Jährige, der selbst aus der Gegend um Zamosc stammt und das Grauen aus Erzählungen kennt.

Für die Überlebenden, so der Germanist und Historiker, sei die Begegnung mit Leidensgenossen oft viel wichtiger als das Geld. Manche suchten das Gespräch mit Jugendlichen, andere wollten eine Reise in die Vergangenheit machen und Kindern und Enkeln den Ort ihres Leids zeigen. Viele der von der SS als "rassisch wertvoll" klassifizierten Kinder erfuhren erst als Erwachsene, dass sie eigentlich aus dem "Sonderlaboratorium der SS" stammen und polnische oder jüdische Eltern hatten.

Pflege und Bildung

"Bisher gab es in Zamosc keine Chance für eine Annäherung von Polen, Juden und Deutschen. Es fehlte eine internationale Bildungsstätte", sagt Pawlos und zeigt ein Papier: "Das hier ist das Konzept für ein Internationales Zentrum der Geschichte und Integration in Zamosc." Die Kombination eines Pflegeheims für NS-Opfer und einer modernen Bildungsstätte sei ungewöhnlich, entspreche aber dem Versöhnungsgedanken der Stiftung. "Es reicht nicht, nur von Versöhnung zu reden. Auch ein Scheck ist zu wenig. Versöhnung ist Kärrnerarbeit. Man muss etwas tun, und das nicht nur einmal oder zweimal." (gl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 3. 2008)