KZ-Überlebender Jozef Kuzba: "Der Film fragt nur nach der Moral der Häftlinge: Tod oder Leben? Dabei müsste man doch nach der Moral der Täter fragen!"

Foto: Gabriele Lesser
Für ihn stellt sich im Oscar-prämierten Film "Die Fälscher" die moralische Schlüsselfrage.

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"Ob auch ich Banknoten für die Nazis gefälscht hätte? Ich weiß es nicht", schüttelt Jozef Kuzba den Kopf. "Seit Tagen frage ich mich das und finde keine Ruhe mehr." Der 91-Jährige nimmt eine DVD vom Bücherstapel in seiner kleinen Warschauer Wohnung. "Die Fälscher" von Stefan Ruzowitzky steht auf dem Etikett.

Vor kurzem hat der Film des österreichischen Regisseurs den Auslands-Oscar in Los Angeles gewonnen. "Ich habe den Film schon so oft gesehen, dass ich ihn bald auswendig kenne", sagt Kuzba. Er holt die silberne Scheibe aus der Plastikhülle und dreht sie versonnen in den Händen. "Denn die Grundfrage ist doch: Kollaboriere ich mit den Nazis und rette so mein Leben? Oder - sabotiere ich sie und riskiere nicht nur mein Leben, sondern auch das der Kameraden im KZ?"

Kuzba war selbst in Sachsenhausen. Zusammen mit drei anderen Häftlingen reinigte er die Druckmaschinen und setzte sie instand. "Alles war streng geheim. Wir wussten nicht, was auf diesen Maschinen gedruckt werden sollte. Als die Fälscher in Sachsenhausen eintrafen, durften wir uns den beiden Baracken 18 und 19 nicht mehr nähern."

Damals war er 22 Jahre alt, gerade einmal 1,65 groß, schlank und eher nicht zu schwerer Arbeit geeignet. Heute streckt der Greis mit dem vollen weißen Haar seine Hände weit nach vorn: "Die Finger. Ich hatte schon damals geschickte Finger. Wahrscheinlich haben sie mich deshalb ausgewählt. Außerdem konnte ich mich mit den beiden Druckern, die uns die Anweisungen gaben, auf Deutsch verständigen." Doch Kuzba war kein Drucker, sonder Lehrer.

Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen konnte er zunächst in die Slowakei fliehen. In seinem Geburtsort durchkämmten die Nazis Ende 1939 die Gegend nach polnischer Intelligenz, so wie in ganz Danzig-Westpreußen und rund um Posen. Der sogenannten "Intelligenz-Aktion" fielen innerhalb weniger Monate über 60.000 polnische Ärzte, Lehrer und Geistliche zum Opfer. In der Slowakei aber verriet ein Schaffner Kuzba an die Gestapo. "Er hat dafür sogar Geld kassiert! Beim Verhör schlugen mich die Deutschen blutig, aber ich hatte mich nie fürs Militär interessiert und konnte ihnen tatsächlich nichts sagen."

Noch ist der Film über die Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen in Polen nicht in den Kinos zu sehen. Kaum jemand dort weiß, dass die Fälscherwerkstatt tatsächlich existierte und dort knapp 150 jüdische Häftlinge von 1942 bis 1945 britische Pfundnoten und US-Dollar, Wertpapiere, Briefmarken und Dokumente fälschten. Dass im Vorfeld des "Unternehmens Bernhard" auch polnische Häftlinge zum Einsatz kamen, ist jedoch nicht einmal im Film zu sehen.

"Des Teufels Werkstatt"

Auf Kuzbas Wohnzimmertisch liegt das Buch "Der Teufels Werkstatt" von Adolf Burger, das als Vorlage für den Film diente. "Ich habe Burger nie persönlich kennengelernt", erzählt Kuzba. "Aber es ist schon interessant, dass wir beide in der Slowakei verhaftet wurden und nach Sachsenhausen kamen, ich 1940, er zwei Jahre später. Das verbindet über die Fälscherwerkstatt hinaus."

Kuzba überlebte das KZ, den Todesmarsch, die Flucht. 1945 kehrte er zu Fuß nach Polen zurück. In Lodz begann er ein Studium und stieg beruflich schnell auf. Vom Bildungsministerium kam er ins Planungsinstitut in Warschau, von dort an die polnische Botschaft nach Moskau und später Bonn. Zuletzt war er Direktor des Warschauer Büros für Außenhandel.

"Aber seit meiner Pensionierung beschäftige ich mich nur noch mit Sachsenhausen", erzählt Kuzba. Er reise als Zeitzeuge von Schule zu Schule, erzähle Kindern in Deutschland und Österreich von seinen Erlebnissen, verbringe viel Zeit in der Warschauer Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung. "Das Lager hat mein ganzes Leben geprägt. Ich habe sogar meine spätere Frau dort kennengelernt. Wir sind 1945 zusammen auf den Todesmarsch gegangen und haben beide überlebt."

Den Film "Die Fälscher" hält Kuzba für "notwendig", aber nicht besonders spannend. "Die Kriegsentwicklung hat doch voll auf das Leben im Lager durchgeschlagen. Das kommt im Film überhaupt nicht vor." Die Erschießungen der russischen Kriegsgefangenen, der Aufstand der Juden, die tägliche Zwangsarbeit im Ziegelwerk, dem Hafen und den Waffenfabriken, die Erprobung der Gaskammer, die Hungerrationen, das tägliche Sterben - das alles fehle im Film.

"Zudem fragt der Film nur nach der Moral der Häftlinge: Kollaboration oder Sabotage? Tod oder Leben?", sagt Kuzba. "Dabei müsste man doch eigentlich nach der Moral der Täter fragen!" (Gabriele Lesser aus Warschau/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 3. 2008)