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Symptomatische Momentaufnahme: Als der Wahlkampf nicht mehr so gut lief, hatten Hillary Clinton und ihre Berater keinen Plan B. So etwas nennt man Überheblichkeit.

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Das Alte muss dem Neuen weichen. Auf diese einfache Formel lassen sich die Vorwahlen der US-Demokraten bringen. Warum wollen das engagierte Frauen, Feministinnen allemal, nicht verstehen?

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Heide Oestreich, die Innenpolitik-Redakteurin der taz, hat an dieser Stelle (Eine Pionierin im Generationenclinch, der Standard, 1./2. 3. 2008) ersucht, den Umstand der bevorstehenden Niederlage Hillary Clintons gegenüber Barack Obama mit allerhand argumentativen Verrenkungen zu erklären: Archetypen wie Lady Macbeth wurden ebenso zitiert wie mehr oder weniger randständige Frauengruppen. "Emily's List" mag der Autorin ans Herz gewachsen sein, bei den Vorwahlen für die US-Präsidentenwahl spielt sie aber einfach gar keine Rolle: Emily steht für "Early Money is Like Yeast" (also: Wer früh spendet, dessen Geld wirkt wie Germ); Emily ist eine Geldsammelinitiative, die Abtreibungsbefürworter bei deren Wiederwahl in eines der vielen (Bundes- oder Einzelstaaten-) Parlamente unterstützt.

Frau Oestreich ist nicht die einzige, die Probleme damit hat zu verstehen, warum im November 2008 doch nicht die erste US-Präsidentin gewählt werden wird. Vor einigen Wochen, als Obamas Siegszug bei den Vorwahlen gerade erst anfing, meinte eine weiße, gebildete Amerikanerin mir gegenüber, dass es nur gerecht wäre, wenn Clinton gewinnen würde, weil ja doch die Frauen in den USA das Wahlrecht viel später erhalten hätten als die Schwarzen - und eine ebenso gebildete, aber gleichermaßen gender-fixierte Kollegin pflichtete ihr bei. Ich kann nicht sagen, dass ich sprachlos war, aber verwundert war ich doch. Auch wenn es paternalistisch wirkt, hier ein wenig Nachhilfe für alle, die meinen, eine Genderperspektive sei immer richtig. Diesmal nicht.

1.) Frau Clinton war und ist die Kandidatin des Partei- und Washingtoner Establishments. Ungewöhnlich, dass die mächtigen Männer keinen aus ihren Reihen fanden, den sie ins Rennen schickten? Nein, es gab anfangs ein paar männliche Gegenkandidaten, die sogar noch mehr zum Establishment gehörten, aber die konnte Clinton rasch zur Seite schieben. Übrig blieb einer, den anfangs niemand ernst nahm und dem bestenfalls zugetraut wurde, dass er sich für künftige Wahlen bekanntmachen werde können.

2.) Clintons Anfangserfolge wurden möglich, weil sie viele Geld zur Verfügung hatte, das aber von wenigen kam. Ein Drittel ihrer Spender sandten ihr bislang Schecks über Beträge, die höher waren als $ 4600. Die Mehrheit dieser großzügigen Reichen waren Männer. Alle Spender zusammengenommen betrachtet, hat Clinton einen geringfügig größeren Anteil an weiblichen Unterstützern als ihr noch verbliebener Konkurrent. Doch die wirklich interessanten Zahlen sind die: Obama hat von 31.500 Frauen Geld bekommen, das sind um 5000 mehr als Clinton. (Um solche Informationen zu bekommen muss man nicht erst auf sich wundersam öffnende zweite Keller warten, sondern schaut bei opensecrets.org nach.)

3.) Clintons Wahlkampfstil und die Organisation ihrer gesamten Kampagne waren von Beginn an darauf ausgelegt, dass sie gewinnen wird. Als es für sie nicht mehr so gut auszusehen begann, hatten sie und ihre Berater keinen Plan B zur Hand. Ein derartiges Gehabe nennt man für gewöhnlich überheblich. Viel Geld wurde von Clinton für die falschen Dinge ausgegeben (hohe Gehälter, teure Hotels, reichhaltige Verköstigung der großteils angestellten Mitarbeiter). Obama rekrutierte hingegen unzählige Freiwillige und erschöpfte sein Spendenpotenzial nicht vorzeitig.

4.) Bekanntlich sind die inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden Demokraten nicht allzu groß. Darin, wie politische Probleme gelöst werden sollen, weichen die Vorstellungen der beiden jedoch viel deutlicher voneinander ab: Clinton ist eine Technokratin, Obama ein Bewegungspolitiker. Sie will die besten Köpfe zusammenbringen, um die beste Lösung zu finden, aber die traditionellen Räume, in denen in den USA Politik betrieben wird, ja nicht verlassen. Alles für die Armen, aber nichts durch sie, könnte man ein bekanntes Motto obrigkeitsstaatlichen Wohlwollens abwandeln. Obama dagegen hat früher in den Straßen Chicagos Bürger organisiert, betreibt seinen Wahlkampf in ähnlicher Weise und würde davon wohl ein wenig auch ins Weiße Haus bringen.

Alle vier Punkte sind genderneutral, ja die Seite, die Clinton einnimmt, ist jene, die bislang eher Männer einnahmen, womit nicht unterstellt werden soll, dass Obama "die bessere Frau" sei, wohl aber insinuiert, dass Clinton "ein guter Mann" ist, aber eben nicht "die beste Person dieser Saison".

Dass die Clinton-Seite mit Denunziationen des Gegners anfing, würde nun gut ins Stereotyp der zänkischen Frau, die die Intrige der Schlacht vorzieht, passen - allein die Dreckschleuder war der Ex-Präsident. Die Reaktion der Kandidatin darauf war wiederum gut, aber nicht gut genug: Still und leise wurde der Ehemann ins Hinterzimmer verbannt, aber sonst dazu kein Wort gesagt. Hillary Clinton ist eine gute, wahrscheinlich sogar sehr gute Politikerin, aber sie traf dieses Mal auf einen Gegner, der entscheidende Vorzüge hat, die ihr fehlen. Daher wird sie nicht Präsidentin werden.

Und die Freundinnen der Sache der Frauen wären gut beraten, es in diesem Fall einmal ohne alte Schablonen zu versuchen. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2008)