Hinter den Kulissen rechnen viele in der SPÖ mit Neuwahlen im Herbst.

*****

Wien – Alfred Gusenbauer tingelt gern durchs Land. Seine Tour durch Österreich im Wahlkampf 2006 führte ihn in seine erste Amtsperiode als Bundeskanzler. Jene, die dieser Tage stattfindet, könnte nun das Ende der selbigen einläuten.

Wiener Neustadt, Imst und Donawitz: Drei Stationen klapperte Gusenbauer, diesmal ohne Medien im Schlepptau, seit Freitag ab, um seinen Parteifunktionären Rede und Antwort zu stehen. Die Termine waren seit längerer Zeit geplant. Doch der SPÖ-Chef nützte die Gelegenheit, um die Genossen auf sein derzeitiges Hauptziel einzuschwören: die Vorverlegung der Steuerreform aufs Jahr 2009. Kommenden Samstag will der Kanzler seine Rundreise mit einem Auftritt in Wels abschließen.

Unmut und Unterstützung

Viel Überzeugungsarbeit muss Gusenbauer dabei nicht leisten. Auf den neuen Kurs war er schließlich auch deshalb eingeschwenkt, weil rote Länderchefs, die wegen der mauen Vorstellung der Bundespartei in der Regierung um eigene Wahlchancen bangen, Druck ausgeübt hatten. „Der Unmut ist recht groß, weil das Gefühl verbreitet ist, der Kanzler setze sich bisher zu wenig durch“, erzählt der steirische Landesgeschäftsführer Anton Vukan vom Treffen in Donawitz am Montagabend: „Die Funktionäre haben Gusenbauer deshalb unisono bestärkt: 2009 muss bei der Steuerreform etwas passieren.“

Die ÖVP sieht das bekanntlich anders – doch diesmal wollen die Sozialdemokraten nicht nachgeben. Kärntens Landeschefin Gabi Schaunig etwa erklärte die Vorverlegung der Steuersenkungen gar zu einer Bedingung für den Fortbestand der Koalition. Keine leere Drohung, versichern Eingeweihte und rechnen mit Neuwahlen im Herbst als derzeit wahrscheinlichsten Ausgang der Machtprobe in der Regierung. Gusenbauer werde jedenfalls nicht einlenken, prophezeit einer: „Dazu hat er sich zu sehr einbetoniert.“

Nicht nur der Kanzler. Zahlreiche hohe SP-Politiker, etwa Gewerkschaftspräsident Rudolf Hundstorfer, schlossen sich dem Vorstoß an. Sozialminister Erwin Buchinger fordert, die Bezieher von mittleren und kleinen Einkommen bereits 2009 von 2,5 Milliarden Euro zu entlasten; insgesamt soll das Volumen der Steuersenkungen drei Milliarden betragen. Bis Juni dieses Jahres, verspricht Buchinger, soll die versprochene Einmalzahlung von 100 Euro überdies die starke Teuerung abmildern.

Der Rest der angepeilten Reform solle dann 2010 umgesetzt werden. Dem Sozialminister schweben Erleichterungen für Klein- und Mittelbetriebe sowie eine Steuer auf Vermögenszuwächse vor, dank der die Gesundheitsversorgung und die Pflegeleistungen mitfinanziert werden sollen. Seine Forderungen untermauert Buchinger mit nackten Zahlen: Die Lohnquote, der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am gesamten Volkseinkommen, ist seit 1980 um gut elf Prozent gesunken. Dieser Abfall sei dramatischer als im Schnitt der EU-15, argumentiert Buchinger. Außerdem würden auch unter den Lohnempfängern die Ärmeren immer mehr an Boden verlieren: Laut Statistik legte das Jahreseinkommen des obersten Fünftels seit 2000 im Schnitt um 16 Prozent zu, jenes des untersten Fünftels hingegen nur um fünf Prozent.

Schlacht mit Statistiken

Auch die ÖVP argumentiert mit der Statistik, zieht aber entgegengesetzte Schlüsse. Nächstes Jahr, wenn die SPÖ bereits die Entlastungen durchziehen will, werde das Budget noch ein Defizit aufweisen. Erst zum von der ÖVP befürworteten Termin 2010 würde sich laut Plan ein Plus zu Buche schlagen. Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer wolle diesmal bewusst eine Steuersenkung zustande bringen, ohne gleich wieder in ein neues Minus zu rutschen, sagt sein Sprecher Nikola Donig. Der erhoffte Überschuss von 0,4 Prozent – etwa eine Milliarde Euro – allein wird allerdings nicht ausreichen, um die gesamten geplanten Entlastungen zu finanzieren.

An die Tradition bisheriger Steuersenkungen knüpft die ÖVP mit ihrer Bedingung – erst Budgetplus, dann Steuersenkungen – nicht an. Nur eine einzige Regierung der vergangenen 40 Jahren erwirtschaftete erst einen Überschuss, ehe sie eine Steuerreform durchzog. Sie wurde von einem geführt, den schwarze Politiker üblicherweise nicht als Vorbild zitieren: dem Sozialdemokraten Bruno Kreisky. (Gerald John/DER STNDRD, Printausgabe, 5.3.2008)