Ian Paisley, einst kompromissloser Gegner der katholischen Minderheit, ist seinen Anhängern inzwischen zu katholikenfreundlich.

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Nach mehr als fünf Jahrzehnten in der nordirischen Politik zieht sich Pfarrer Ian Paisley als Chefminister und Vorsitzender der stärksten Unionistenpartei DUP zurück. Der Abgang erfolgt wohl nicht ganz freiwillig.

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Überraschend kündigte Nordirlands Chefminister (Regierungschef) Ian Paisley am Dienstagabend seinen baldigen Abschied von der Politik an. Bei seinem Rückzug Mitte Mai wird Paisley 82 Jahre alt sein.

Zweifelhafte Geschäfte seines gleichnamigen Sohnes und eine allzu sichtbare Wärme im Umgang mit seinem Stellvertreter Martin Mc Guinness hatten Paisleys reaktionäre Anhänger aufgebracht. Im Jänner hatte Paisleys Democratic Unionist Party (DUP) überraschend eine Nachwahl verloren.

Dass der Mann, der jahrzehntelang jeden Kompromiss mit der katholischen Minderheit Nordirlands sabotiert hatte, nun wegen seines freundlichen Betragens gegenüber McGuinness, dem einstigen Stabschef der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), zum vorzeitigen Ruhestand gezwungen wurde, ist eine Ironie der Geschichte.

Der Sohn eines Baptistenpfarrers ging stets eigene Wege. Er gründete seine eigene, fundamentalistische Protestantenkirche und seine eigene Partei. Stets appellierte er skrupellos an die Ängste der protestantischen Bevölkerungsmehrheit und stürzte damit eine Reihe von moderateren Rivalen.

Die Wähler vergalten Paisley diesen Opportunismus mit rekordverdächtigen Stimmenzahlen und Mandaten in Belfast, London und im EU-Parlament in Straßburg. Unter den politischen Brandreden schwelten dabei stets antikatholische Überzeugungen. Nicht wenige Mitglieder von protestantischen Untergrundverbänden gaben später zu Protokoll, sie seien Paisleys Schalmeienklängen gefolgt, als sie beliebige Katholiken ermordeten.

An den Friedensverhandlungen, die vor ziemlich exakt zehn Jahren im sogenannten Karfreitagsabkommen gipfelten, nahm Paisley nicht teil, aber er beanspruchte anschließend die Ministersessel in der vereinbarten Koalition.

Doch seine destruktive Kritik höhlte die politische Mitte aus: Im Herbst 2003 wurde seine Partei zur stärksten Kraft. Nun stand der Brandstifter selbst in der Verantwortung; seine angeschwollene Partei rückte automatisch näher zur Mitte. Zunächst gab sich Paisley unbeugsam. So zwang er die IRA zur Abrüstung und deren politischen Flügel Sinn Féin zur Anerkennung der nordirischen Polizei. Auf dieser Grundlage bot Paisley im Mai vergangenen Jahres die Hand zur Koalition mit seinen einstigen Todfeinden.

Nur er konnte diese Kehrtwende politisch überstehen, da waren sich am Mittwoch Freund und Feind einig. Nur Paisley konnte einen Friedenspakt schließen, der sich kaum von dem zuvor so verteufelten Karfreitagsabkommen unterschied. Der irische Premier Bertie Ahern lobte Paisley als politischen Koloss Nordirlands.

Nachfolger wird vermutlich Peter Robinson, Paisleys ewiger Stellvertreter und gegenwärtiger Finanzminister. Er gilt als kühler Stratege und kompetenter Administrator, der die Fäden schon seit langem in den Händen hält. Robinson wird eine schärfere Tonart im Umgang mit Sinn Féin anschlagen, namentlich, wenn es in den kommenden Wochen darum geht, ob die nordirische Regierung auch die Verantwortung für das Justizwesen und die Polizei übernimmt. Aber Robinson ist in erster Linie ein politischer Pragmatiker, der die Macht über alles schätzt. Der Ton wird sich ändern, aber die Inhalte kaum. (Martin Alioth aus Dublin/DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2008)