Aufgrund der enormen Schwankungen der Mückenplage am Myvatn-See brach dort die Fischerei zusammen - nach 1000 Jahren.

Foto: Arni Einarsson
London - Es ist ein buchstäblich atemberaubendes Naturschauspiel, bei dem man nicht unbedingt dabei sein will. Denn wenn Milliarden von Mücken den Myvatn-See in Island umschwärmen, wird für menschliche Beobachter selbst das Luftholen schwierig. Die gigantischen Insektenschwärme sind sogar indirekt aus dem All beobachtbar: Wenn die Tiere kollektiv sterben, geben ihre sterblichen Überreste so viel Nährstoff an den Boden ab, dass sich das für Satelliten messbar auf die Landschaft auswirkt.

Ein internationales Forschungsteam hat nun das stark schwankende Auftreten der Mücken untersucht. Denn in manchen Jahren zeigen sich nur wenige der lästigen Insekten, in anderen dagegen treten sie epidemisch auf. Wie die Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature" (Bd. 452, S. 84) zeigen, steckt doch eine gewisse Regelmäßigkeit dahinter, die einem nicht-linearen dynamischen System entspricht, das zwei Ausprägungen annehmen kann: Entweder gibt es Zyklen mit hohen Schwankungen der Mückenzahl oder solche häufigen Schwärmen.

Diese spezielle Dynamik bedinge, dass die Mücken bzw. ihr epidemisches Auftreten gegenüber kleinen Umweltveränderungen anfällig werden, erklärt Anthony Ives, einer der Autoren der Studie, die auf Datenmaterial fast des gesamten 20. Jahrhunderts zurückgreifen konnte. Diese Empfindlichkeit des Ökosystems hat praktische Folgen: In den vergangenen 40 Jahren sind die Schwankungen zwischen Mücken-reichen und Mücken-armen Jahren so extrem geworden, dass die Jahrhunderte lang praktizierte Fischerei zusammenbrach, weil den im See lebenden Saiblingen das Futter in den Mücken-mageren Jahren ausging. Schuld daran war, wie die Forscher nun vermuten, dass man ab den 1960er-Jahren im See mit Ausbaggerungen begonnen habe. Das wiederum zerstörte einen Teil des Lebensraums der Mückenlarven, was in den Jahren darauf eben zu den hohen Mückenfluktuationen geführt habe. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. März 2008)