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Vorwegnahme der künftigen Arbeitsteilung? Hillary Clinton und Barack Obama nach ihrer jüngsten Fernsehdebatte.

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Barack Obamas Anhänger in San Antonio, Texas, ließen sich von der Niederlage ihres Idols nicht beeindrucken.

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Mit ihren Vorwahlsiegen in Texas, Ohio und Rhode Island hält Hillary Clinton das Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur offen. Barack Obama muss erste Kratzer an seinem Sonnyboy-Image hinnehmen.

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Robert Velasquez ist ein Mann von kauzigem Humor. Für Hillary habe er aus einem einzigen Grunde gestimmt, erzählt er den Reportern, die vorm Wahllokal in der Sanchez Elementary School in Austin warten. "Sie ist eine Frau. Und Frauen führen nun mal den Haushalt." Sagt's und grinst zu seiner Gattin Irene hinüber. Es sieht aus, als wollte er sie mit seinem Macho-Spruch ein wenig foppen. Doch noch bevor Irene zur Retourkutsche ansetzen kann, hat Robert die Kurve gekriegt: "Nein, Hillary ist die bessere Kandidatin, ganz klar."

Loyalen Latinos wie dem Ehepaar Velasquez hat es Hillary Clinton zu verdanken, dass sie nicht nur in Ohio, sondern auch in Texas gewann und den Siegeszug Barack Obamas stoppen konnte. In dem Riesenstaat mit seinen Riesensteaks und den Cowboy-Klischees stellen die Hispanics 40 Prozent jener Wähler, die über den Bewerber der Demokraten bestimmen dürfen. Zu zwei Dritteln gaben sie der Senatorin den Vorzug. Das Bild von der "Feuermauer", hochgezogen von treuen Latinos, die ihre Hillary vor der heranrollenden Feuerwalze Obamas schützen - immer wieder wird es zitiert.

Drei Stunden Schlaf

Der Etappensiegerin merkt man an, was für eine Schlacht hinter ihr liegt. Ganze neun Stunden hat die ehemalige First Lady in den vergangenen drei Tagen geschlafen. Ihre Stimme ist heiser, als wäre sie eine "soccer mom" und hätte ihre kickende Tochter ein ganzes Fußballturnier über angefeuert. Sie trägt Rot, die Modefarbe der letzten Oscar-Gala.

Die erste Metapher, die sie im ohrenbetäubenden Jubel findet, stammt aus der Welt des Boxens. "Das ist für jeden, der ausgezählt wurde, aber sich weigerte, k. o. geschlagen zu werden. Für jeden, der stolperte und wieder aufstand, für jeden, der hart arbeitet und nie aufgibt - dies ist für euch." Sie fange gerade erst an, frohlockt Clinton. "Yes, she will", skandiert der Saal, die Antwort auf das "Yes, we can" der Obama-Anhänger. Später deutete Clinton erstmals an, dass sie im Fall ihrer Nominierung mit Obama als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft antreten könnte.

Die kämpferischen Parolen passen zu Clintons Comeback. Zur Stimmung passt auch der Song, den eine Band im früheren Freimaurertempel von Columbus spielt, ein Lied übers Durchhalten: "Hang on, Sloopy, Sloopy hang on!" Arbeiter mit schwieligen Händen halten Plakate ihrer Gewerkschaften hoch, es regnet Konfetti, und Stephanie Tubbs Jones wird gefeiert, als würde sie sich selber ums Oval Office bewerben.

"Alles was ich sagen will, ist, ich hab's euch doch gesagt", ruft sie triumphierend in die Halle. Die schwarze Kongressabgeordnete aus Cleveland war von den Bürgern ihres Wahlkreises bedrängt worden, endlich zu Obama überzuschwenken, ins Lager des Volkstribunen, den nichts mehr aufzuhalten schien. Auch sie fühlt sich glänzend rehabilitiert, während Clintons Pressechef voller Spottlust die Journaille rupft, die im Vorfeld bereits von Hillarys Beerdigung sprach. "Ich liebe Beerdigungen", flachst Terry McAuliffe.

Was das Blatt gewendet hat, wissen Statistiker am Tag danach Punkt für Punkt zu erklären. Nicht nur die Latinos und die Frauen haben "ihrer" Favoritin die Treue gehalten. Auch Männer, die im Overall am Fließband oder in einer Werkstatt stehen und Obamas Rhetorik mit Skepsis begegnen, stärkten Hillary den Rücken. Damit scheint ihre Hausmacht wieder intakt, nachdem es im Laufe des Februars in Staaten wie Wisconsin und Virginia ausgesehen hatte, als wechselten die Niedrigverdiener in rasantem Tempo die Fronten.

Der angriffslustige Ton, mit dem die 60-Jährige die letzten Kampagnentage bestritt, scheint Früchte getragen zu haben. Sowohl in Texas, wo man Kämpfernaturen liebt, als auch im Arbeitermilieu des "Rostgürtels" der alten Industrie von Ohio.

Obama wiederum musste Kratzer am seinem unschuldigen Sonnyboy-Image hinnehmen. Am Tag vor dem Urnengang nahm ihn die Presse in die Mangel, zum ersten Mal überhaupt. Es ging um eine Gesprächsnotiz, niedergeschrieben von einem Diplomaten der kanadischen Botschaft in Washington. Ein Obama-Berater hatte den Alarmierten beruhigt: Er möge nicht für bare Münze nehmen, wenn sein Mann auf die Nafta schimpfe, die Freihandelszone zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Wahlreden seien das eine, Sachpolitik etwas anderes.

Geschenk des Himmels

Besonders in Ohio, wo viele das Kürzel Nafta als Synonym für ausgelagerte, verlorene Jobs verstehen, dürfte dem Senkrechtstarter arg geschadet haben, was der Kanadier den Zeitungen steckte. Als wäre es ein Geschenk des Himmels für "Hillaryland", begann am Montag auch noch der Korruptionsprozess gegen Tony Rezko, einen Chicagoer Baulöwen und Gönner Obamas (siehe Artikel links). Prompt versuchte Clintons Stab, den Rivalen als Teil des berüchtigten Klüngels der Al-Capone-Stadt Chicago hinzustellen.

Obama, der seine Schlappe im texanischen San Antonio quittiert, beschwört das große Bild. "Wir haben bei den Delegierten immer noch fast denselben Vorsprung, wie wir ihn heute Morgen hatten. Wir sind auf dem Weg, diese Nominierung zu gewinnen." Nach Adam Riese, rechnen seine Mitstreiter vor, müsste Clinton von nun an jede Primary mit mindestens 60 Prozent für sich entscheiden, wollte sie auf dem Nominierungskonvent im August mehr einfache Delegierte - abgesehen von Superdelegierten - auf ihrer Seite haben. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2008)