Harald Gründler zieht sich ein T-Shirt von Jenny Holzer über

Dieses T-Shirt von Jenny Holzer habe ich während der 44. Biennale in Venedig gekauft, also vor geraumer Zeit. Es hing unter Venedig- T-Shirts auf einem der in der Stadt verstreuten Kioske. Ob es trotzdem oder gerade dadurch ein authentisches Kunstwerk von Holzer ist, bleibt den Standpunkten der Kunstkennerinnen und Kunstkenner vorbehalten. Jedenfalls war das noch zu einer Zeit, in der in Museumsshops noch nicht Einkaufstaschen mit dem Aufdruck "I shop therefore I am" zu kaufen waren.

Foto: Gründl, Aichinger, Bessing Helbig, Engholm, Fischer, Ruyter, Swarovski, Corn, Sagmeister

Bedruckte T-Shirts gehören sonst nicht zu meiner Kleiderordnung. Dieses Shirt kommt mir zu bestimmten Anlässen in den Sinn. Es ist so eine Art Panzerung in Extremsituationen. Ich nehme es aus dem Kasten, bügle es – und ziehe es doch nicht an. Es kommt mir immer dann in denn Sinn, wenn mir die Macht von Institutionen zu nahe kommt. Natürlich ist auch die Mode eine solche Institution, die in der Konsumkultur autoritäre und einseitige ästhetische Befehle an die Käuferinnen und Käufer sendet. Dresscodes sind Zeichen, die einen rituellen Kreis zeichnen. Sie bilden die Mauern und Brücken zwischen den Menschen.

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Der Slogan auf dem Shirt ist Teil einer Serie von Kunstwerken, die Holzer Anfang der 1980er-Jahre im öffentlichen Raum installiert hat und die sie "Truismus" genannt hat. Das ist eine Sammlung von Slogans, die auf Postern und Plakatflächen parasitär die Öffentlichkeit in New York verunsicherten. "An elite is inevitable" steht in unsichtbaren Lettern auf den Trendkleidern einer jeden neuen Modesaison.

Harald Gründl ist Teil der Wiener Designschmiede EOOS.

Anna Aichinger mag ihren eigenen Trenchcoat

Ich habe mich immer schon mehr zu den Klassikern als zu den It-pieces der Saison hingezogen gefühlt. Dinge, die die Zeit überdauern und deren Stärke darin liegt, sich über die Jahrzehnte hindurch immer wieder in ihrer Zeitlosigkeit zu behaupten – im Gegensatz zu den restlichen, in jeder zweiten Ausgabe diverser Magazine neu ausgerufenen 1000 Must-haves der Saison, die inflationär wie die C-Prominenz der Casting Shows auf und auch gleich wieder abtauchen.

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Eine dieser Stil-Legenden ist der Trenchcoat, erfunden 1901 von Thomas Burberry. Ursprünglich zur Standardausrüstung der britischen Armee gehörend, setzte er sich tatkräftig unterstützt durch Hollywood und sein Erscheinen in unzähligen Filmklassikern, durch und verschaffte sich so seinen Platz im Pantheon der Modeklassiker, ganz so wie das 'Little Black Dress'. Er lässt mich an Frauen wie Ingrid Bergman, Greta Garbo und Audrey Hepburn denken, an Romy Schneider und Charlotte Rampling – starke Frauen mit einem zeitlosen Stil. Durch seine Schlichtheit und Funktionalität ist er ein vielseitiges Kleidungsstück. Ganz egal ob sophisticated, klassisch oder sexy wie die ikonenhaften Frauen von Helmut Newton.

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Anna Aichinger ist Designerin in Wien.

Joachim Bessing hat sich in Schuhe von Richard James verschaut

Meine Beziehung zu Richard James liegt eigentlich bereits über acht Jahre zurück. Damals, vor dem Jahr 2000, importierte das Berliner Quartier 206 vor allem Hemden, aber auch einige Anzüge des Savile-Row-Schneiders der etwas anderen Art. Anders als seine dort ansässigen Zunftbrüder, Institutionen wie Turnbull & Asser, schnitt Richard James für seine durchaus traditionell gefertigten Hemden extrem auffällig gemusterte Stoffe zu.

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Sein Hahnentritt, eingewebt natürlich, wies dazu noch Farbverläufe auf; seine gestreiften Hemden schillerten bis hin zum Verschwimmen in superdetaillierten Kombinationen aus Nadelstrich und Blockgestreiftem. Diese Hemden trug ich eine Weile gern, dann aber kam mir die James-Masche als zu verspielt vor. Was Hemden angeht, landet man früher oder später eben doch bei Brioni – der raffinierten Schlichtheit wegen. In den vergangenen Jahren gab es dann, ausgehend von Kilgour French Stanbury eine Revolution in der Savile Row. Kilgour, Richard James, Gieves & Hawkes lassen dort die Institutionen alt und immer älter aussehen, was nichts Schlechtes bedeutet:

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Eigentlich zeigt sich dabei doch nur, dass nun eben auch die jungen Modekunden die bestmögliche Qualität zu schätzen wissen – und um deren Preis dann auch haben wollen. Die Desertboots aus mitternachtsblauem Wildleder, die ich bei meinem letzten Londonaufenthalt bei Richard James entdeckte, sind ein Paradebeispiel: rahmengenäht, Ledersohle, handschuhweiches Leder und dazu noch viel zu schmal, um sportlich wirken zu können. Dagegen sehen die sogenannten Klassiker von Clark's mit der Kreppsohle, noch verstaubter aus, als sie es in Wirklichkeit oft sein müssen. Gut, die von Richard James sind auch in etwa viermal so teuer – aber, einmal ehrlich: Eigentlich ist doch nie Geld das Problem, sondern das mangelnde Angebot. Ich jedenfalls habe mich gleich mit sechs Paaren eingedeckt, falls doch einmal etwas kaputtgehen sollte.

Joachim Bessing ist Chefredakteur des Magazins Quest. Er lebt in Berlin.

Kerstin Engholm setzt auf Kleider

Alles entwickelt sich mit so rasender Geschwindigkeit, dass einem die Spucke wegbleibt. Vieles ist kurzlebig und ein wenig seelenlos. Action kontra Reflektion. Das ist in der Mode noch gravierender als in der Kunst, obgleich sich die Lage in den neun Jahren meiner Galerietätigkeit stark verändert hat: Künstler müssen früh rauskommen, Auktionshäuser besitzen Galerien und greifen aggressiv in den aktuellen Markt ein. Die kritischen Stimmen gegen die Implantation künstlerischen Guts ins kommerzielle Modegeschehen tauchen nur noch am Rande auf.

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Die Umgebung von Kunst ist allem anderen nicht mehr so unähnlich: Die internationalen Messen gleichen Laufstegen. Die Vogues sind voll von Künstlern. Das desillusioniert zuweilen. Also muss man wohl all den Hintergrund und die angebrachte Skepsis ausschalten, wenn man sich der Oberfläche hingibt und nichts anderes tut, als die neuen Kollektionen zu inspizieren. Man kann sich natürlich auch, falls vorhanden, selbstbewusst an das bewährte Vintagepotenzial im eigenen Kleiderschrank machen oder einfach alles ignorieren. Ich kaufe nichts, wie immer!

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Diesen Sommer stehen an der Spitze der Einfalt abstrakt-expressive Leinwandmalereien vornehmlich auf Kleidern von Dolce & Gabbana, Chloé, Lacroix und Miu Miu u. a., gefolgt von Ethno- Zitaten bei z. B. Pucci, Etro, Balmain, Matthew Williamson und dem Gladiatorenlook von Givenchy, Burberry und Christopher Kane. In allen Lebenslagen ist und bleibt mein persönliches Lieblingskleidungsstück das Kleid. Neben den aus dem vergangenen Jahr herübergeretteten Minikleidern gefallen mir die wiederaufkommenden 50er-Jahre-Silhouetten in Form von klassischen Cocktailkleidern (Marni, Prada, Giambattista Valli ...) sowie Kaftane aller Längen und Clutchbags gepaart mit großen Sonnenbrillen (Etro, Michael Kors, Antonio Marras ...), die an die Mördergattinen bei "Columbo" und die Westcoast der 70er-Jahre erinnern. Mein Geschmack ist geparkt, das spart enorm.

Kerstin Engholm ist Galeristin in Wien.

Lisa Ruyter hat einen neuen Modeblog entdeckt

Ich habe zuletzt viel Zeit in Griechenland verbracht und in Athen eine tolle junge Kunst-, Mode- und Designszene entdeckt.

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Bei einer Vernissage in der Breeder-Gallerie erzählte mir Filep Motwary von seinem Blog filepmotwary.blog.com, den ich seitdem regelmäßig besuche. Ich erfahre hier mehr über Mode als an irgendwelchen anderen Orten. Deswegen ist er auch in dieser Saison mein Lieblingsort der Mode. Was mir an Fileps Blog gefällt, ist seine Leidenschaft für aufregende Ästhetiken und Menschen – und seine Überzeugung, dass tolle Sachen genauso in der eigenen nächsten Umgebung passieren wie in der Welt der Superstars.

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Lisa Ruyter ist Künstlerin. Sie lebt in Wien.

Ute Schumacher kramt in ihrer Handtasche

In einem früheren Leben wäre ich mit einer Karawane auf der Seidenstraße von Westen nach Osten unterwegs gewesen. Unterbrochen von Aufenthalten in den von Menschen verschiedenster Herkunft und Kultur bevölkerten Karawansereien. Ich hätte mit Seide, Gewürzen und Duftessenzen, Teppichen und Schmuckstücken aus Edelsteinen gehandelt und so mancher Geschichte am Lagerfeuer bei einem Glas Minzetee gelauscht.

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Im Hier und Jetzt bin ich auch in dieser Saison mit meiner mehr oder weniger kleinen "Handtaschen-Karawanserei" unterwegs, in der sich so mancher Schatz verbirgt und manchmal auch unvermutet finden lässt. Gefüllt mit Kleinoden und Liebhabereien. Der Sand von der letzten Reise in die Sonne, verschiedenste Büchlein aus aller Herren Länder vollgepackt mit Notizen, Ideen und Skizzen. Farbmuster und diverse Stoffe, gefunden in den Suks von Marrakesch, den Märkten von Indien oder einem Vintage Store in Paris. Ein eigenwillig geformter Flakon samt süßlich-herbem Parfüm oder ein neuer ausgefallener Schmuckentwurf.

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Ute Schumacher ist Leiterin der Trend- & Designabteilung von CRYSTALLIZED(TM) – Swarovski Elements in Wattens.

Maison Martin Margiela hat uns ein Bild geschickt

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Stefan Sagmeister lässt sich täuschen

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Dieses Hemd hat mir die Designerin (und meine Freundin) Anni Kuan geschneidert. Das japanische Muster setzt sich an sich aus rein schwarzen Linien zusammen, – durch diverse Verflechtungen ergeben sich optische Täuschungen, die den Stoff violett schimmern lassen – ein schönes Stueck. Und die Hornknöpfe gefallen mir auch.

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Stefan Sagmeister ist Graphikdesigner und lebt in New York.

Barbara Vinken freut sich über das Comeback des Etuikleids

Ende der Sechzigerjahre – die Röcke wurden kürzer und die Haare offen – sang ein italienischer Schlager das Lob der Mamma: das Lob der hochgesteckten Haare, der etwas längeren Röcke – und der guten Manieren. Mit etwas Modebewusstsein hätte er gleich das Etuikleid mitpreisen können. Allein schon das Wort: Etuikleid. Hat etwas unbedingt Einfassendes. Etwas Schützendes. Etwas, das dem Zerbrechlichen Form verleiht und Haltung gibt. Gefasst kann man damit unter die Leute und vor die Welt treten – und hat ein Gefühl, das lange out war: die Sicherheit, gut angezogen zu sein. Das Comeback des Etuikleides passt zum Phänomen der sogenannten Restauration der bürgerlichen Werte.

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Das Etuikleid gab es – als stillen Klassiker – bei manchen Designern in jeder Kollektion; einmal ein bisschen kürzer oder länger, ganz unklassisch mit Rollkragen oder tiefer dekolletiert. In diesem Sommer tritt es aus der Schattenexistenz heraus und beherrscht die Szene – in seiner ganzen Zurückhaltung, und oft mit ein bisschen Selbstironie in leichter Überzeichnung des Retrolooks. In den erotischen Fokus rückt ein Körperteil, der nur noch die Wärter der katholischen Kirchen in Italien hinter dem Ofen hervorlocken konnte: Eisern bestanden sie darauf, dass der nackte Arm verhüllt wird.

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Das bravere Etuikleid hat einen kurzen Arm, das etwas gewagtere hat das große amerikanische Armdekolleté. Strukturiert, sagt man, ist das Etuikleid. Immer aus etwas festerem Stoff und klassisch einfarbig zeichnet es den Torso nach, modelliert es ihn. Die erotische Wucht liegt auf dem Torso, der ohne durchschneidende Linien in seiner Silhouette ganz sichtbar und klassisch idealisiert wird. Das Etuikleid macht aus jeder Frau eine ausgesprochen gut erzogene Venus von Milo: der Busen etwas höher, die Taille wirkt schmaler, die Linie der Hüften wird weich nachgezeichnet, der Po ein bisschen hervorgetrieben. Am schönsten ist das Etuikleid aber nicht für den Betrachter, sondern für die Trägerin, die darin ihren ganzen Körper bei jeder Bewegung spürt – wie etwas Kostbares, das vom Etui geschützt, umschmeichelt, ins rechte Licht gerückt, gefasst wird.

Barbara Vinken ist Professor für Literaturwissenschaft in München.

Marlene Streeruwitz setzt sich eine Riesen-Brille auf

Dass sie gefehlt haben, weiß frau natürlich erst, wenn sie wieder da sind. Dann wird auch wieder erinnerlich, wie sehr sie gefehlt haben. Wie praktisch sie gewesen waren. Wie attraktiv. Wie charmant. Wie die Person betonend, im Verbergen des Gesichts. Und was die einen dann Arroganz nannten, wenn frau sie getragen hat, war ganz einfach eine Entscheidung, das Auffällige zum Verstecken zu benutzen. Die große Sonnenbrille. In der Sammlung der Sonnenbrillen finden sie sich immer wieder. Die riesige Weißrandige aus den späten 60ern, hinter deren hellblauen Gläsern der hellblaue Lidstrich über den rabenschwarzen künstlichen Wimpern betont wurde. Zu Schlapphut, Minirock und ersten Bikinis diese Sonnenbrillen, die die Trägerinnen in großäugige Kinder verwandelten.

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Dann die dunkelrandig undurchdringlichen Celebrityhilfsmittel. Weil Audrey Hepburn hoffen musste, hinter einer solchen Sonnenbrille nicht erkannt zu werden, konnte jede Trägerin eines ähnlichen Modells hoffen, einer celebrity zu ähneln. Und. Es war praktisch. Es ist praktisch, wenn der Rahmen von Brillen das Gesichtsfeld umschließt und nicht wie die kleinen, runden Brillchen der Neunzigerjahre und der Jahrtausendwende nur einen winzigen Teil der sonnenblenden Welt verdunkeln. Es ist praktisch, einen Teilrückzug von der Welt praktizieren und den Blick ungesehen auf die Dinge werfen zu können. Zumal die Gläser mittlerweile dunkel, entspiegelt und UV undurchlässig ihre Funktion für die Augen in aller Form ausüben dürfen. Die Weißrandigen waren ja eine Art Plastikspielzeug gewesen.

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Die breiten Bügel mit den Markenlogos verbergen noch zusätzlich den seitlichen Einblick. Oder Sonneneinfall. Jedenfalls lässt sich in Zeiten der Unverhüllung auf diese Weise ein kleines Geheimnis zurückerobern. Die Angesehene muss den Blick auf sie nicht erwidern. Hinter der großen Sonnenbrille muss sie nämlich gar nichts. Da lassen sich die Augen einfach zumachen, ohne dass jemand anderer das genau wissen kann, und beim Autofahren muss nicht am Rand vorbeigeschielt werden. Elegant und brauchbar und bequem. Willkommen, große Sonnenbrille.

Marlene Streeruwitz ist Schriftstellerin. Sie lebt in Wien. (Der Standard/rondo/07/03/2008)