Meister Proper hätte seine Freude an den neuen Küchen gehabt: spiegelnde Flächen, die das glückliche Lächeln der Hausfrau multiplizieren. Halt - der Hausfrau? Mit maskulinen Erdtönen und Noncolours möchten die Hersteller vermehrt die Männer an die veredelten Fronten locken. Mann kocht also. Seit Starköche wie Tim Mälzer, Johann Lafer und nicht zuletzt der auf der documenta 2007 in Kassel gefeierte Ferran Adrià die kreative Küche für Männer salonfähig gemacht haben, entdeckte so mancher Kerl seinen Hang zur kulinarischen Selbstverwirklichung. Die darf dann schon etwas kosten. Zwischen 30.000 und 40.000 Euro muss man zum Beispiel für eine sogenannte Systemlösung der Marke Leicht berappen.
Stand-alone-Lösung
Dass Küchen längst als Wohnthema verbucht werden, weiß man nicht nur dort. Das ist auch der Grund dafür, dass die geschlossenen, sachlich-kühlen Arbeitsblöcke und Schrankwände jedem Büro gut zu Gesichte stehen würden und rein gar nicht nach Essenmachen aussehen. Erst wenn sich die meist grifflosen Schübe und Schränke per Sensomatik öffnen, enthüllt das Innenleben die wahre Bestimmung. So ein Arbeitsblock, der gern einmal als monolithischer Tempeldiener daherkommt, im Fachjargon als Stand-alone-Lösung gehandelt wird und auf diskrete Weise die profanen Dinge des Küchenalltags vom Kühlschrank bis zum Abfalleimer integriert.
Gut kochen ist eines. Die neue Herausforderung ist zudem - der entspannte Gastgeber. Zum Stichwort Komfortküche haben sich die Hersteller allerlei einfallen lassen: blendfreies Licht, die schon zitierten grifflosen Schänke, Edelstahlspülen mit Nullradienbecken (also eckig), illuminierte Armaturen, die mittels Leuchtdioden die Wasserstrahltemperatur von blau ist gleich kalt über violett bis zu rot für warm signalisieren. Fast selbstverständlich scheinen da TV, Hightech-Geräte, Induktionsherde mit Kochfelderkennung und Dunstabzugshauben, womit ohne jedes Betriebsgeräusch üblen Gerüchen der Stinkefinger gezeigt wird.
Noch nie etwas von "Slide & Hide"-Backöfen gehört? Dahinter versteckt sich ein Griff, der sich mitdreht, ebenso eine versenkbare Tür, die niemals im Weg ist. Finessen wie "TwistPad" von Neff stehen für eine abnehmbare Einknopfbedienung, die das Saubermachen erleichtert und auch als Kindersicherung dient.
"ART of kitchen"
Neben Design und Genuss stehen freilich auch Kommunikation und Status im Vordergrund. Die Küche ist Bühne und Treffpunkt für ein gemütliches Get-together zwischen Spargelschälen und Familienkonferenz. Auch wenn die Sitzbank rehabilitiert ist und offiziell in die Küche zurückkehrt, um deren Lebenswert zu steigern - sie tut es nicht mit geschnitzten Herzerln, nein! Holz liegt zwar nach wie vor im Trend, tritt aber als vom Treibholz inspiriertes Driftwood auf, daneben prägen Tineo, Olive, Raucheiche sowie Holzfronten mit durchlaufendem Furnier die Szenerie.
Auch Landhaus- oder Country-Küchen kommen betont schlicht mit schüchternen Stilreminiszenzen daher. Die weiße Welle, die schon über Polstermöbel und Dekostoffe hinwegschwappt, gilt natürlich auch bei Küchen als stilprägend, auch wenn das Schneeweiß vergleichbar einer hellen Leinwand Flecken, Fingerabdrücke und Saucenspritzer malerisch zur Geltung bringt. Eine andere Version von "ART of kitchen"?
"Icy White" lautet in diesem Sinne eine der Hitfarben von Küchen-Label Zeyko, das zudem weitere 2500 Töne nach System anbietet. Auch "Sepia Metallic" - dieselbe Nuance, die Autobauer Mercedes im Programm hat - rangiert als gefragter Farbton im Reich der Töpfe und Pfannen. Der Link von Küche zu Kfz ist zwar nicht neu, hat aber mit der Porsche Design Kitchen P' 7340 von Poggenpohl (RONDO berichtete) neue Formen angenommen. Die Verbindung zum Car-Design gründet sich auch hier im Anspruch, maskuline Töne einzusetzen und die Formensprache minimalistisch auf das Wesentliche zu reduzieren. "Cookpit" nennt der Erfinder diese moderne Feuerstelle konsumentenfreundlich. Doch auch abseits vom rasanten Porsche Design meißeln die Hersteller unter Verwendung von reichlich Glas und Transparenz plus Materialien wie Naturgranit und Mineralwerkstoffplatten am Image der neuen Küche. Das geht bis hin zu durchgestylten Details wie dem Einhebelmischer mit integrierter Brause (von Sieger Design): "Wellness für das Kochgut" verspricht hier der Lieferant. Bei so viel Technik-Know-how und Ästhetik vergisst man schon einmal die Hauptsache: Kochen muss man immer noch selbst. (Franziska Horn/Der Standard/rondo/07/03/2008)