Das Konzept der Mehrstufenklasse: Sechs- bis Zehnjährige absolvieren in einem Klassenverband die Volksschule.

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Wien - Heidi Spies' Kinder, drei an der Zahl, waren alle in der Volksschule Wolfgang- Schmälzl-Gasse in Wien-Leopoldstadt. Alle drei besuchten eine Mehrstufenklasse. Mittlerweile gehen die drei Buben in andere Schulen. Spies kam am Freitag einfach so zur Jubiläumsfeier "Zehn Jahre Wiener Schulversuch". "Den Kindern hat es sehr viel gebracht."

Das Konzept der Mehrstufenklassen ist, dass Kinder aller Altersstufen in einem Klassenverband die Volksschule absolvieren. Ausschlaggebend ist hier nicht das Alter, sondern der individuelle Wissensstand der Kinder. Derzeit gibt es das Modell an 41 Standorten. In den 71 Klassen sitzen jeweils sechs Kinder eines Jahrgangs, maximal 24 Schüler. Sie können die Volksschule in drei bis fünf Jahren absolvieren. Erst dann gibt es Noten. Am Ende des Semesters wird beurteilt, ob das Unterrichtsziel erreicht wurde.

Matthias König ist einer der Ältesten in der Mehrstufenklasse in der Schmälzl- Gasse. Der Zehnjährige wird ein Jahr länger bleiben. Wer könnte es ihm verübeln, haben doch er und seine Kollegen zwei bis drei Klassenräume zur Verfügung, zwei Lerncomputer und einen Teppich, auf dem man herumkugeln und lesen kann.

Kein Stundenplan

Dass Matthias Spaß am Lernen hat, ist ihm anzusehen. "Wir haben keinen Stundenplan, sondern ein Programm für drei Wochen oder so", erklärt er. Sein Schultag beginnt mit einem Morgenkreis, bei dem zwei Lehrerinnen den Tagesablauf erklären.

Mutter Heidi Spies gefällt vor allem, dass Kinder früh lernen, sich selbstständig den Lernstoff anzueignen und dass Ältere den Jüngeren helfen. "Sie haben später in der Schule keine Nachteile und trauen sich auch zu sagen, was sie nicht können." Die Nachfrage sei groß, sagt Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SP): "Die Eltern rennen uns die Türen ein." Im kommenden Schuljahr wird es elf weitere Mehrstufenklassen in Volksschulen geben. Mittlerweile gibt es auch eine Hauptschule mit einer Mehrstufenklasse.

Der Schulversuch überzeugte auch die Bildungssprecherin der Grünen, Susanne Jerusalem: "Es ist an der Zeit, dass der Versuch ins Regelschulwesen übernommen wird", sagte sie. (Marijana Miljkovic/DER STANDARD-Printausgabe, 7. März 2008)