Die Kornelkirsche erlebt eine Art kleine Renaissance.

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Eine der lieblichen Seiten jeder nichtkommerziellen Miniaturlandwirtschaft ist das gesellige Tauschen von Waren aller Art mit Gleichgesinnten. Im Dunstkreis ihres Grünzeugs befinden sich zum Beispiel hochtalentierte Schnapsbrenner, die im Herbst aus allen erdenklichen Früchten die klarsten Hochprozenter destillieren und das eine oder andere Fläschchen dankenswerterweise im Frühling gegen die eine oder andere Paradeiser-, Gurken- und Kürbisrarität in Pflänzchenform einzutauschen pflegen.

Aus Quitten, Äpfeln, Birnen, Waldbeeren entstehen die edelsten Tropfen - doch eine Spezialität, das wurde kürzlich seitens des Grünzeugs bemerkt, fehlt doch noch im Sortiment: der Dirndlschnaps.

Der ist tatsächlich fast nicht mehr aufzutreiben und scheint aus der Mode gekommen. Aber das ändert sich gerade wieder, denn die Dirndl, zu Deutsch Kornelkirsche genannt, erlebt eine Art kleine Renaissance. Wer sich seit nunmehr zwei Absätzen fragt, was die Dirndl überhaupt ist: Es handelt sich um einen Strauch, der Baumgröße erreicht, sehr alt wird, äußerst langsam wächst und das härteste Holz unserer Regionen produziert. Die Dirndl ist sehr robust und genügsam, sie stammt ursprünglich aus Kaukasien und wurde seit Urzeiten von der Menschheit schmatzend abgeklaubt. Das weiß nur fast keiner mehr.

Nicht nur Schnaps

Wer im späten Sommer die kleinen, oval-länglichen, roten und säuerlich-aromatischen Früchte ernten will - aus denen man natürlich beileibe nicht nur Schnaps herstellen kann -, muss am besten jetzt schon die Sträucher ausfindig machen. Denn Ende Februar, Anfang März blüht die der Familie der Hartriegel angehörige Cornus mas, und zwischen den noch grauen Nachbargewächsen an Waldrändern und Ackerrainen kann man die mit gelben Blütensternen kräftig überstäubten Sträucher in dieser Zeit am besten ausmachen. Und sich merken.

Als extreme Frühblüherin ist die Dirndl eine der wichtigsten Bienenweiden, wenn die Honigtiere nach der Überwinterung wieder Kräfte sammeln müssen. Doch bedauerlicherweise sind die großen Büsche an den Wald- und Feldrändern mittlerweile ziemlich selten geworden. Das liegt unter anderem daran, dass sie aufgrund ihres äußerst langsamen Wachstums sehr lange brauchen, um eine gewisse Stattlichkeit zu erlangen.

Wenn also irgendwo der Ackerrand gerodet und die Stauden gekappt werden, wachsen Schlehen, Holunder und Feld- ahorn jeder kleinen Kornelkirschenpflanze davon. Sehr schade. Und deshalb steht die Dirndl auch in diversen Regionen bereits auf der roten Liste der vom Verschwinden Bedrohten.

Dirndlmarmelade

Eine der hiesigen Regionen, die sich der Dirndl im Besonderen annimmt, ist das Pielachtal in Niederösterreich, wo sie, quasi als Naturgut erkannt, sogar in speziellen Führungen besichtigbar ist. Einer der "Promoter" der Dirndln dort ist Bürgermeister Anton Gonaus aus Kirchberg. Ihm missfiel es, dass die vielfältigen Düfte seiner Kindheit unter Umständen irgendwann einmal endgültig der Vergangenheit angehören würden - das Aroma der in den Töpfen seiner Mutter brodelnden Dirndlmarmelade beispielsweise oder der unvergleichliche Geruch gerade zu Schnaps gebrannt werdender Dirndlmaische.

1994 gründete man deshalb die Pielachtaler Edelbrandgemeinschaft, die mittlerweile 21 Mitglieder hat, deren Produkte seither einen steten Aufschwung nehmen und mit Preisen ohne Ende bedacht werden.

Die Pielachtaler haben eine alte Kulturpflanze zum Zentrum moderner marktwirtschaftlicher Überlegungen gemacht. Sie haben ihren "Dirndlstand" genau erhoben, sie bewirtschaften das, was quasi am Wegesrand wächst, und sie schöpfen daraus Mehrwert in Form von sanftem Tourismus und einer gehobenen Produktqualität: Schnäpse, Marmeladen und andere kulinarische Spezialitäten. Sehr geschickt und begrüßenswert. Und zur regionalen Nachahmung empfohlen. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/07/03/2008)