Mattersburg - Der SV Mattersburg hat ein Problem. Und wer will, kann die Verhängung der klubinternen Strafen gegen Dietmar Kühbauer, Michael Mörz und Ilco Naumoski auch als Funkspruch lesen, als einen, aus dem ein bisschen Verzweiflung und viel Ratlosigkeit herauszuhören ist. Denn Obmann Martin Pucher weiß selbstverständlich, dass es in diesem Fall kein Houston gibt, an das man sich vertrauensvoll wenden könnte.

Das tut Cheftrainer Franz Lederer auch. Wer ihn fragt, ob dies nun die bislang schwierigste Zeit in seiner Trainertätigkeit sei, wird ihm nachdenkliche Zustimmung entlocken können, eine aber, durch die auch ein gewisser Ärger durchschimmert. Denn der zuletzt in aller Öffentlichkeit angetretene Beweis, dass ein offener Mund nicht bloß ein Loch im Kopf, sondern zuweilen auch ein Sprung in der Schüssel sein kann, hat sich schon seit längerem als erbärmliche Performance angekündigt. Und das rührt natürlich am Eingemachten der Trainerarbeit.

Die stets mit hoher Betulichkeit gestellte Frage nach der Disziplin hat ja zwei Seiten. Die der Vorbildwirkung, gewiss. Aber diesbezüglich leuchtet halt zu sehr auch der spießbürgerliche Zeigefinger. In innerballesterischer Hinsicht weit bedeutender ist der Umstand, dass die Disziplinlosigkeit dem Sinn des Fußballs so sehr zuwiderläuft, dass sie das Spiel verunmöglicht. Genau dafür ist der SVM ja zu einer Art Symbol geworden. Das erklärt die Dringlichkeit des Funkspruches.

Dass die 13.000 Euro Strafen nicht dem Klubbudget zufließen werden, sondern in die hohen Behandlungskosten der an einer seltenen Krebskrankheit leidenden Tennis-Schwestern Klemenschits, darf als weiteres Symbol gelten. Der SVM hat sich zuletzt nämlich um den Sympathiebonus gekickt und geredet, den er von Anfang an wie einen Vorschuss erhalten hatte. In den vergangenen Spielen ist der SVM aber zuweilen als jene Holzhackertruppe aufgetreten, die zu sein ihm manche zu Unrecht unterstellt hatten. Dazu kamen die in der Strafbegründung verschämt als "Ungebührlichkeiten" umschriebenen Idiotien.

Lässt sich der Ausraster von Michael Mörz noch mit Grant erklären und jener von Didi Kühbauer mit Didi Kühbauer, so fehlen selbst den wohlmeinendsten Beobachtern angesichts von Ilco Naumoski die beschönigenden Worte. Der mazedonische Nationalspieler, dessen Potenzial ihn weit über Österreich hinaustragen könnte, fällt zusehends sogar hinter Österreich zurück. Er ist der wandelnde Beweis dafür, dass zum Kicken mehr gehört als zwei flinke Beine, dass auch Fußballer nicht deshalb einen Kopf haben, damit es nicht in sie hineinregnet.

Schmerzgrenze

Es mag ungerecht sein vom - immer schütterer werdenden - Mattersburger Publikum, beweist aber nur dessen feines Gespür: Mittlerweile wird Naumoski daheim wütend ausgepfiffen. Denn mit jedem Beistrich seiner Körpersprache drückt er aus, was er für den Sinn und Zweck einer Mannschaft hält: ihn selbst zum Glänzen zu bringen. Dass er dabei nicht nur im übertragenen Sinn dem eigenen Anhang den Mittelfinger zeigt, komplettiert den Eindruck der Infantilität bis zur Schmerzgrenze.

Diese überschreitet er zuweilen. Am vergangenen Samstag holte er sich, eine knappe Minute nach seiner Einwechslung in der 79. Minute, eine richtiggehend provokant dumme Gelbe ab, die so offensichtlich gegen den Trainer ging, dass sie einem Schuss ins eigene Knie gefährlich nahekommt.

Der SV Mattersburg hat im Jahr 2007 eine bemerkenswerte Performance hingelegt, und zwar als Mannschaft, die ein manchmal sehr ansehnliches, raumgreifendes Kombinationsspiel bot, in dem, wie man so sagt, die Laufwege stimmten. Dass sie sich nun in individuelle Sprints verzetteln, ist die eigentliche Folge der Disziplinlosigkeit. Erst aus dieser erklären sich die anderen: dass zum Beispiel ein Kühbauer, statt sich angesichts der eigenen Leistung in den Arsch zu beißen, dies nicht tut und statt dessen lieber dem Kärntner Prawda den Ball ins Gesicht schleudert.

Der Auftrag des Franz Lederer für den am Samstag bevorstehenden ersten Auftritt der Mannschaft in der EM-Arena in Klagenfurt kann deutlicher nicht sein: "Wir müssen uns rehabilitieren." Ein Sieg wäre schön, aber nicht Bedingung. Es gehe ums Auftreten. Letzte symbolische Geste: Die Mannschaft übernimmt die Reisekosten für die mitreisenden Fans. Und das ausdrücklich als "Wiedergutmachung".

An dieser wird Didi Kühbauer nicht mitwirken. Ob die interne Sperre eine "Selbstschwächung" ist, wird sich weisen. Immerhin hieße sein Gegner in Klagenfurt Adam Ledwon - was Kühbauers Einsatz gegen Rapid am darauffolgenden Freitag sehr, sehr fraglich machen würde. (Wolfgang Weisgram; DER STANDARD Prntausgabe 8./9. März 2008)

  • Austria Kärnten - SV Mattersburg (Hypo-Group-Arena, 18.00 Uhr/live Premiere, SR Drachta). Bisherige Saisonergebnisse: 1:1 (h), 2:5 (a), 0:1 (a)

    Kärnten: Schranz - Chaile, Hiden, Ortlechner - Weber, Ledwon - Wolf, Junuzovic, Krajic - Kollmann, Chiquinho. Ersatz: Saric - Ngwenya, Zakany, Kabat, Mössner, Riedl, Hauser, Stückler

    Mattersburg: Borenitsch - Mravac, Sedloski, Csizmadia - Atan, Schmidt, Mörz, Kovrig, Fuchs - Jancker, Wagner. Ersatz: Almer - Pauschenwein, Lindner, Bürger, Naumoski, Pöllhuber