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Dagmar Metzger verlässt nach ihrer Unterredung mit Andrea Ypsilanti die Frankfurter SPD-Zentrale

Foto: Getty Images/Ralph Orlowski
Frankfurt/Main - Sie wollte keine Königsmörderin sein und wurde es dann doch. Mit ihrer öffentlich begründeten Gewissensentscheidung, eine von der Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen nicht mitzutragen, versetzte die Darmstädter SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger am Freitag den Ministerpräsidentinnen-Plänen von Andrea Ypsilanti den Todesstoß.

Allerdings ersparte sie damit ihrer Parteigenossin die demütigende Erfahrung der früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis, nicht zu wissen, wer aus dem eigenen Lager die Wahl zur Regierungschefin verhinderte.

"Am meisten verabscheue ich Lügen und Zyniker", schreibt die Schwiegertochter des früheren Darmstädter Oberbürgermeisters Günther Metzger (SPD) auf ihrer Webseite. Deshalb wählte sie den ehrlichen Weg und kündigte ihre moralischen Bedenken gegen eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei und ihre Konsequenzen daraus frühzeitig an. "Ich möchte nicht einen Heide-Simonis-Effekt auslösen und stelle mich dem unbequemen Weg", sagte die 49-Jährige.

Die Parteigenossin Simonis wurde am 17. März 2005 wegen einer verweigerten Stimme aus dem eigenen Lager nicht als Ministerpräsidentin wiedergewählt - nach einer demütigenden Prozedur mit vier Wahlgängen. Bis heute ist unbekannt, wer der Königsmörder war.

Diese Rolle wollte Metzger auf keinen Fall einnehmen, und so teilte sie ihre Bedenken frühzeitig mit, wie sie am Freitag sagte. Im Urlaub in der Schweiz sei sie vom Entschluss des SPD-Landesvorstands und der Landtagsfraktion vom vergangenen Dienstag überrascht worden, grünes Licht für eine Tolerierung durch die Linke zu geben. Sie habe am Mittwochabend sofort Ypsilanti angerufen und sei am Donnerstagmorgen nach Hessen gefahren, "weil man sowas nicht am Telefon besprechen kann".

Wer ihren Entschluss bereits am Donnerstag an die Medien gegeben habe, wisse sie nicht, betonte Metzger. Sie könne nur mutmaßen. "Und das möchte ich nicht." Sie denke, "dass das ein Sympathisant ist, der nicht den Weg wählt, den ich jetzt gehe".

Für ihre weitreichende Entscheidung, die eine Regierungsbildung in Hessen zunächst unmöglich macht, führte die 49-Jährige, die sich als selbstbewusst und beharrlich charakterisiert, moralische Gründe an: "Was vor der Wahl versprochen wurde, muss auch nach der Wahl gehalten werden." Sie verwies auf die Diskussion über Steuerhinterziehung, auf die moralischen Anforderungen, denen auch Politiker standhalten müssten: "Ich denke, auch Politiker sind Vorbilder." Für sie passt das Brechen von Wahlversprechen nicht zu diesem Anspruch.

Für die strikte Ablehnung einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit mit der Linkspartei macht die am 10. Dezember 1958 in Berlin geborene SPD-Politikerin, die seit 1992 in Darmstadt wohnt, auch persönliche Gründe geltend. In Berlin aufgewachsen, habe sie erleben müssen, wie ihre Familie durch den Mauerbau jahrelang getrennt worden sei. "Mein Vater hat seine Mutter im Osten lassen müssen." Er habe dem damaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, Walter Ulbricht, geglaubt, dass keine Mauer gebaut werde, was sich als falsch erwiesen habe. Zudem stehe für sie "ganz, ganz stark im Vordergrund die Geschichte der SPD im Zusammenhang mit der alten SED". Man dürfe nicht vergessen, wie sehr Genossen darunter gelitten hätten.

Ihre Entscheidung sei ihr sehr schwer gefallen und sie sei sich über die Konsequenzen sehr wohl im Klaren, sagte Metzger, die sich selbst als "unverbesserliche Optimistin" bezeichnet. Seit 1990 ist die gelernte Bankkauffrau und Wirtschaftsjuristin, die zurzeit als Justiziarin der Stadt- und Kreissparkasse Darmstadt arbeitet, SPD-Mitglied. 1997 wurde sie Stadtverordnete in Darmstadt, 1999 Delegierte für den Bezirks- und Landesparteitag der SPD Hessen-Süd, 2001 Vorstandsmitglied der Stadtverordnetenfraktion Darmstadt. Mit ihrer Entscheidung hat sie nun wohl der SPD den Weg zurück an die Macht in Hessen verbaut. Doch für Metzger zählt vor allem eines: "Die Gewissensentscheidung ist für mich höher zu bewerten als die Verantwortungsethik." (Mirjam Mohr/AP)