Coverfoto: Klett-Cotta

Mathematik, Musik, Philosophie, Physik, bildende Kunst, symbolische Logik, Erkenntnistheorie, Computerwissenschaft, Genetik, Paradoxien, Palindrome und Ausflüge in den Zen-Buddhismus – "Gödel Escher Bach – ein Endloses Geflochtenes Band", von vielen liebevoll GEB abgekürzt, das all dies enthielt, schlug 1979 wie ein Meteor ein in die Wissenschaftsliteratur. 1980 erhielt der Amerikaner Douglas Hofstadter dafür einen Pulitzer-Preis. Die 896 Buchseiten bescherten ihm – mit 34 Jahren! – ein phänomenales Prestige und einen Posten als Ordinarius, sodass er seit dreißig Jahren an der Indiana University in Bloomington unbedrängt von Fakultätseitelkeiten und akademischen Zwängen sich Forschungsfelder nach Gusto aussuchen und durchpflügen kann.

Reich an Wortspielen

Fünf Jahre brauchte der Transfer von GEB in den deutschsprachigen Raum. Es folgten im Zuge der in den späten 1980er-Jahren aufkommenden Debatte über Künstliche Intelligenz weitere Bücher aus seiner Feder, Metamagicum etwa und 1996 Die FARGOnauten, abgeleitet vom Anagramm der von ihm geleiteten Forschungsgruppe Fluid Analogies Research Group FARG. Doch schon Hofstadters ein Jahr später erschienenes Le Ton bon de Marot: In Praise of the Music of Language, ein 632 Seiten starkes monstre sacré über den französischen Renaissancepoeten Clement Marot (1496–1544), erschien nie auf Deutsch. Der Grund: Es ist derart überreich an unübersetzbaren Wortspielen und an Reflexionen über Sprache, Übersetzung und Variation, dass eine Eindeutschung eine Sisyphusaufgabe und ökonomisch zu gewagt wäre.

Angestrengt heiter

Dieser Ausflug des musisch sehr interessierten und sprachlich hochbegabten Informatikers in die Poesie – 1999 übersetzte er Alexander Puschkins Eugen Onegin – wurde nur in Maßen goutiert. Es mutete zu sehr als Hommage, als menschlich höchst verständliche Kanalisation seiner Trauer über den Tod seiner Frau Carol an. Diese war 1993 im Alter von 43 Jahren gestorben und hatte ihn, der daran psychisch fast zerbrach, mit zwei kleinen Kindern zurückgelassen. In den vergangenen zehn Jahren ist es zwar nicht still geworden um den Kognitionswissenschafter aus dem Mittleren Westen, doch lange musste man auf eine buchlange Veröffentlichung warten.

GEB war, wie ein amerikanischer Kritiker sehr treffend schrieb, eine "Nerd-Bibel". Wird dies auch von seinem jüngsten Buch 'Ich bin eine seltsame Schleife' (IBESS) zu erwarten sein? Das muss vorerst offen bleiben. Auch hier trifft man auf dasselbe wild entfesselte Potpourri wie in GEB, auf eine im Parlandoton dahinrollende Mischung aus Logik, Mathematik, Philosophie und persönlichen Anekdoten, auf eine Melange aus Erkenntnissen der Kognitionswissenschaft, der Informatik, der Wissenschaftsgeschichte, der Musik und der Kunstgeschichte plus autobiografischen Erinnerungen und plastischen Beispielen aus dem Alltag. Und auf einen etwas angestrengt heiteren Ton, der aus vielem, aus zu vielem noch ein lässiges Wortspiel, eine typografisch in Klammern gesetzte Pseudo-Lockerheit herauspressen und Heiterkeit verbreiten möchte, die in merkwürdigem Kontrast zu seinem Alter – Hofstadter, 1945 geboren, steht kurz vor der Pensionierung – und seinen biografischen Tragödien steht.

Sein Duktus wirkt im Lauf der vielen hundert Seiten zusehends künstlich juvenil, ja anbiedernd. Hofstadter hätte das im Grunde nicht nötig. Er präsentiert ein Buch, das kein österreichischer Ordinarius, kein Schweizer Hochschullehrer und erst recht kein deutscher Universitätsbeamter so schreiben könnte. Und auch nicht so schreiben würde, bildlich gesprochen: in Joggingshorts, T-Shirt und Tennisschuhen. Verständlich, in klarer Sprache und auf Augenhöhe mit seinem Publikum. Und mit dem Fotoalbum in der Hand. Denn IBESS nimmt seinen Ausgang in der eigenen Lebens- und Familiengeschichte. Genauer: Bei seiner jüngeren Schwester, die nach einer neurologischen Erkrankung in ihrer Kindheit bis heute weder sprechen noch Sprache verstehen kann. Dies führt ihn zu den zentralen Fragen, die das intellektuelle Herz von IBESS bilden: Was ist Beseeltheit, was das Bewusstsein? Was das Denken? Die Selbstwahrnehmung, die Selbstreflexivität? Wie bestimmt das Gehirn das Wesen einer Person? Seine Basisthese ist, dass Menschen selbstreferenzielle Strukturen sind, "Schleifen", wie er es nennt.

Mysteriöse Wesenheit

"Es ist dieses 'Ich'", so Hofstadter, "das der primäre Beweger ist, die mysteriöse Wesenheit, die allem zugrunde liegt und alle Handlungen des Menschen bestimmt. Wenn ich möchte, dass etwas geschieht, dann bin ich gewillt, es geschehen zu lassen, und wenn es meiner Kontrolle nicht entzogen ist, dann wird es normalerweise auch geschehen." Immer wieder blitzt da auch ein großes Staunen auf vor dem menschlichen Geist, diesem glänzenden Wunder, das sich selbst erhält, das "vage" ist und "metaphorisch, mehrdeutig und augenblicksweise von überwältigender Schönheit".

Er, der Metaphysisches souverän ignoriert und Religion links liegen lässt, geht noch einen Schritt weiter, wenn er schreibt: "Wenn Sie davon ausgehen, dass das, was Bewusstsein eigentlich ausmacht, eine Art abstraktes Muster ist, dann versteht es sich von selbst, dass jedes Muster, das in meinem Gehirn existiert, genau so gut in jeder anderen physischen Struktur existieren kann." Und so insistiert er darauf, dass in ihm ein Teil seiner Frau, seiner Lebens- und Seelengefährtin, weiterlebt. Die gelebte Trauer führt ihn zur Schlussfolgerung, dass die seltsamen Schleifen anderer Ichs in die eigene Schleife, in die eigene Seele, überführt werden können. Es sei möglich, so seine etwas gewagte Hypothese, dass sich Seelen gleichsam durchdringen und so ein Zuwachs an Mitgefühl entsteht.

Das Buch wäre noch anregender, hätte Hofstadter sich dazu durchringen können, in jenen Passagen, in denen er über die Transgression von Seelen nachdenkt, neurologische Erkenntnisse aus der jüngsten Zeit zu berücksichtigen. So wäre etwa sein Mitfühl-Konzept ob des Umstandes, dass zwei Regionen des menschlichen Gehirns, der frontoinsulare Cortex und der Vorderteil des Gyrus cinguli, als Sitz der Emotion 'Empathie' indentifiziert wurde, durchaus anders ausgefallen.

"Sie fragen: Was ist das, was Philosophen "qualitative Zustände" genannt haben?", meinte einmal der New Yorker Philosoph Ned Block. "Und ich antworte, nur halb im Scherz: Wie Louis Armstrong schon sagte, als man ihn fragte, was Jazz sei: Wenn du erst fragen musst, wirst du es nie verstehen." Dieser Befund gilt auch für dieses Buch. Das Prinzip der Zeitschleife praktiziert indes auch Douglas Hofstadters deutscher Verlag, auf eine ebenso hartnäckige wie kuriose Weise: Klett-Cotta wirbt immer noch unverdrossen mit einem mehr als ein Vierteljahrhundert alten Porträtfoto des Amerikaners. Douglas Hofstadter ist schon eine seltsame Schleife. (Alexander Kluy/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9. 3. 2008)