Coverfoto: Christian Brandstätter Verlag

Diskussionen um Grenzen, deren Entstehungen, Veränderungen, die politische Bedeutung mehrsprachiger Benennung von Ortstafeln sind, wie auch die aktuelle Öffnung der Schengen-Grenzen zeigt, mit dem Wegfall von Grenzbalken oft nicht gelöst. Grenzen entstehen oftmals in den Köpfen der Bevölkerung, auf beiden Seiten der Grenzbalken. Manchmal werden künstlich aufgestellte Grenzen egalisiert, negiert oder aufgehoben. Manch soziale Grenzen bleiben bestehen.

Die Genesis territorialer Grenzziehungen Österreichs, von der Steinzeit, über die römische Provinz Noricum, von der Besiedelung durch Karolinger, Slawen und Awaren, Magyaren und Bajuvaren, über Anfänge "Ostarrichis", vom Babenbergerreich bis hin zu Aufstieg und Fall des Habsburgerreiches, über die Gründung der Republik Österreich 1918 bis heute spannt sich der Bogen des Geschichtswerkes "Historischer Atlas Österreich" in aktualisierter Ausgabe des Jahres 2008.

In zahlreichen kartographischen Abbildungen werden alle Veränderungen der Hoheitsgebiete Österreichs dargestellt. Der Historiker und Journalist Manfred Scheuch stellt aber nicht nur die Grenzänderungen dar, sondern bezieht auch soziale, demografische, gesellschaftliche, sowie kulturelle und wirtschaftliche Aspekte der Veränderungen in seine Analysen ein. Erwähnenswert ist auch ein übersichtlicher Orts- und Namensindex. Besonderes Augenmerk legt Scheuch vor allem auf die für heute relevanten Prozesse seit dem Revolutionsjahr 1848, vor allem auf den Abschnitt der demokratischen Republik und deren Unterbrechung von 1838 bis 1945.

Gerade heuer, im Jahr der austriakischen Jubiläen 1848, 1918, 1938 und 1968 ist ein detaillierter Überblick der Zeitgeschichte des Landes bis Ende 2007 sehr hilfreich. Ein eigenes Kapitel beschreibt auch die schwarz-blaue, dann schwarz-orange "Wenderegierung", Aufstieg und Fall Wolfgang Schüssels. Im letzten Abschnitt wird die Wahlniederlage von Wolfgang Schüssels ÖVP, der Sieg der SPÖ unter Alfred Gusenbauer, die Entstehung der Großen Koalition des Jahres 2007, deren Vorhaben und Zerwürfnisse, Streitigkeiten, sowie die beschlossene Wahlrechtsreform mit Senkung des Wahlalters und Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre, sowie die aktive Rolle von Bundespräsident Heinz Fischer dargestellt.

Die territorialen Grenzen Österreichs haben sich, auf Grund des großteils friedlichen Zusammenlebens in Europa schon lange nicht verändert. Das soziale, gesellschaftliche, kulturelle Gefüge und deren Grenzen aber bleibt in Bewegung. Fortsetzung folgt. (Gregor Auenhammer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9. 3. 2008)