Er und Merkel haben gewissermaßen eine gemeinsame Geschichte. Der Physiker und frühere Duma-Abgeordnete Ponomarjow war es, der im vergangenen Sommer die deutsche Botschaft nach der Niederschlagung eines "Marsches der Dissidenten" in Samara informierte. Die deutsche Regierungschefin brachte das beim kurz darauf beginnenden G8-Gipfel in Heiligendamm zur Sprache - sehr zum Unwillen des russischen Präsidenten.
"Russland hat keinen Platz in der G8", sagt Ponomarjow nun, die Gruppe der sieben am höchsten industrialisierten Staaten habe Russland, dem achten Mitglied, einen "Vorschuss" bei der Aufnahme in den exklusiven Klub gegeben und eine demokratische Entwicklung erwartet, keinen Rückschritt wie unter Putin. Das solle Merkel schon einmal klar machen.
Bald zwei Jahrzehnte Bürgerrechtsbewegung, einmal Demokratie und zurück im neuen Russland, sind eine kräftezehrende Zeit. 1988 hatte Ponomarjow zusammen mit Andrej Sacharow die Menschenrechtsorganisation Memorial gegründet. Drei Schwarz-Weiß-Fotos aus diesen Jahren hängen in seinem Büro an der Wand. Ponomarjow kleidet sich noch wie damals, nur hager ist er geworden, schütterer das Haar.
Fünf Mal ist Ponomarjow in den vergangenen zwei Jahren verhaftet worden - "mindestens", sagt er. Das bisher letzte Mal am Montag, dem Tag nach der Präsidentschaftswahl. "Ich bin extra ein bisschen später zur Demonstration gekommen, um fünf nach fünf, damit sie mich nicht wieder schon auf dem Weg dahin festnehmen", erzählt der 67-Jährige.
Um 17 Uhr an einem Aufgang der Moskauer U-Bahn-Station Tschistije Prudi, nahe der Geheimdienstzentrale des FSB, versuchte an jenem Tag das "Andere Russland" eine Protestkundgebung abzuhalten. Nikita Bilich, der Chef der liberalen SPS, gab gerade Journalisten ein Interview, als sich Ponomarjow unter die Menge mischte. "Greift euch den Dicken da!", wies ein Kommandant der Sondereinheit Omon mit einem Megafon seine Untergebenen an. "Die werden dich gleich festnehmen", warnte Ponomarjow seinen Freund, den Parteipolitiker. Bilich sei empört gewesen. Er sei schließlich nicht dick. Am Ende landeten sie alle in Omon-Transportwagen: Ponomarjow, Bilich und 120 weitere Demonstranten.
Eineinhalb Stunden fuhren die Festgenommenen dann auf einer der Ringautobahnen Moskaus spazieren, bis sich eine Polizeiwache fand, die die Fracht der Omon in Empfang nehmen wollte. Personalienfeststellung, Belehrung, dass man von der Polizeiwache nicht den Anwalt anrufen darf, weil es sich ja um eine öffentliche Telefonleitung handle, Protokoll aufsetzen, dann ist der Spuk vorbei. Nur einer der Demonstranten wird zurückbehalten.
"Sie wollen nicht, dass man den Eindruck hat, ungestraft davonkommen zu können", sagt Ponomarjow. Die Demonstration war von der Stadt schließlich nicht genehmigt worden. Als die Bürgerrechtler fristgerecht den Antrag vor dem Behördenschalter stellen wollten, so erzählt Ponomarjow, wurden die Vertreter der Putin-Jugendorganisation "Naschi" vorgezogen. Sie reservierten sich nicht weniger als 60 Plätze in der Hauptstadt. Von einem Kompromiss wollten die Behörden nichts wissen.