Wien – Der Aktenfluss in der Causa Bawag nimmt kein Ende, jetzt gibt es zehn Zentimeter neuen Materials.

Selbiges stammt aus den staubigen und nichtstaubigen Kartons, die in den Kellern von Alt-Bankchef Walter Flöttl gefunden wurden. Bawag-Richterin Claudia Bandion-Ortner sprach von Hinweisen auf Parteienfinanzierung und Zuwendungen an ÖGB und Konsum (waren Bawag-Aktionäre). Der Staatsanwalt ermittelt wegen Verdachts der Untreue.

Ein Teil der Dokumente tangiert den laufenden Prozess (wird am Montag fortgesetzt) und beinhaltet auch Material zu Karibik I – etwa die Stellungnahme des KPMG-Partners und Bankprüfers Robert Reiter. Die Bawag habe die notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt, schrieb der heutige Angeklagte im April 1994 (damals wurden die Geschäfte mit Flöttl jun. abgedreht; Anm.), es seien keine Wertberichtigungen und Abschreibungen nötig gewesen, es seien keine Verluste aufgetreten.

Flöttl sen. hat freilich auch Unterlagen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren gehortet; damit können nun Geschäfte der Bawag mit ÖGB, Konsum Österreich und SPÖ (der Teil ist für den Prozess nicht relevant, so Juristen) auf ihre Angemessenheit nachgerechnet werden. Mit dabei sind jede Menge Immobiliendeals. So hat eine Banktochter dem ÖGB 1986 das Hotel Strudlhof und das dortige Palais Berchtold in Wien-Alsergrund abgekauft sowie ein Bürohaus in der Nähe des Karlsplatzes, Ecke Treitlstraße. In dem Immo-Paket mitverpackt: ein Schulungsheim (die Villa Primavesi von Josef Hoffmann, Anm.) in der Gloriettegasse in Wien-Hietzing. Kaufpreis: 220 Mio. Schilling. Hintergrund: Der ÖGB hatte 1985 ein Defizit von fast 60 Mio. Schilling gemacht.

Die Frage, ob die Bawag überhöhte Freundschaftspreise bezahlt hat, wird schwer zu beweisen sein; für manche Deals sind allerdings Verkehrswertgutachten vorhanden. Das Grundstück Treitlstraße jedenfalls hat die Bank später mit Gewinn an die Republik verkauft, die dort die Bibliothek der TU Wien errichtete.

Ein aktenmäßiges Wiedersehen gibt es auch mit dem Reisebüro Ruefa (stand für "Reisen und Erholung für alle"), das die Bank erworben und 2000 weiterverkauft hatte. Das Reisebüro ging um rund 40 Mio. Euro an Bawag-Aktionärin BayernLB, die es 2004 mit rund 15 Mio. Euro Verlust weiterverkaufte.

Zu guter Letzt finden sich in den Kellerakten auch noch die Unterlagen zum legendären SPÖ-eigenen Vorwärts-Verlag. Er war seit 1978 so gut wie pleite, wurde aber erst 1988 in einem stillen Ausgleich beerdigt. Die Bawag half bei der "Liquidierung" von Verlag und Druckerei und kaufte das Grundstück an der Rechten Wienzeile. Wo einst die AZ gedruckt wurde zog wenig später, nach dem Verkauf, das Hotel Ananas ein. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.03.2008)