Und ewig grüßt Bruno Kreisky: Falls die ÖVP die Koalition sprenge, spekulieren Sozialdemokraten, müsse die Konsequenz nicht unbedingt Neuwahlen lauten. Stattdessen könnte die SPÖ ihr Heil in einer Minderheitsregierung suchen. So wie Übervater Kreisky anno 1970, der 18 Monate später gestärkt ausstieg und die absolute Mehrheit errang.

Wie könnte Kanzler Alfred Gusenbauer dieses Kunststück zusammenbringen? "Da gibt es viele denkbare Variationen", sagt der Verfassungsrechtler Ludwig Adamovich, der Bundespräsident Heinz Fischer berät: "Wie bei einem Schachspiel."

Vorausgesetzt die ÖVP will Neuwahlen, findet im Nationalrat für einen "Antrag auf vorzeitige Beendigung der Gesetzgebungsperiode" aber keine Mehrheit, dann müsste die SPÖ realistischerweise erst einmal versuchen, die schwarzen Minister loszuwerden. Der Kanzler kann die Enthebung einzelner Regierungsmitglieder vorschlagen, der Präsident muss diese aber exekutieren - ein geradezu "revolutionärer Akt" (Adamovich) ohne Beispiel in der Zweiten Republik. Andere Variante: Fischer könnte die Regierung auch im Alleingang entlassen.

Gusenbauer müsste das für die Angelobung zuständige Staatsoberhaupt dann überzeugen, eine arbeitsfähige Alternative parat zu haben. Das könnte eben eine rote Minderheitsregierung sein, die nicht auf einer fixen Koalition fußt, sondern sich ihre Mehrheit von Beschluss zu Beschluss im Nationalrat sucht. Ganz ohne Vorabsprache mit anderen Parteien ist das Experiment aber undenkbar. Denn eine feindliche Mehrheit könnte die Regierung per Misstrauensvotum sofort zu Fall bringen.

Kreisky hatte seinerzeit die FPÖ mit einer für Kleinparteien günstigen Wahlrechtsreform geködert; Gusenbauer müsste für eine Mehrheit gleich zwei der drei Oppositionsparteien FPÖ, Grüne und BZÖ, die einander spinnefeind sind, "überreden". Der blaue Parteichef Heinz-Christian Strache winkte nach anfangs positiven Signalen mittlerweile ab, die Grünen geben sich bedeckt. Und ob der konsensgläubige Präsident Fischer einen fliegenden Regierungswechsel zulässt, ist ebenso fraglich. "Das sind verfassungsrechtliche Sandkastenspiele", glaubt Adamovich, deshalb: "Realpolitisch halte ich eine Minderheitsregierung für äußerst unwahrscheinlich." (jo/DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2008)