Arbeitseinkommen werden nur in Belgien, Ungarn, Deutschland und Frankreich stärker besteuert als in Österreich - und zwar mit bis zu 55,5 Prozent.

Foto: STANDARD/Fischer
Grafik: STANDARD
Paris/Wien - Den Österreichern bleibt wegen der kalten Progression und der Nichtanpassung von Transferzahlungen des Staates immer weniger in der Brieftasche. Laut einer neuen Untersuchung der OECD stieg die Abgabenbelastung eines Arbeitnehmers mit durchschnittlichem Einkommen seit 2000 um 1,2 Prozentpunkte. Und das trotz der "größten Steuerreform aller Zeiten" - so die Bezeichnung seines Werks durch den damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser - anno 2005.

Besonders auffällig sind die überproportionalen Zuwächse bei Lohnsteuer und Sozialbeiträgen für Familien. Der Obolus eines verheirateten Durchschnittsverdieners (37.644 Euro brutto im Jahr, Partner arbeitet nicht) an den Fiskus stieg in den vergangenen sieben Jahren um 2,7 Prozentpunkte. Noch ärger erwischte es Alleinerziehende, die (bei zwei Kindern und zwei Drittel des Durchschnittsgehalts) um drei Prozentpunkte mehr belastet wurden. Und das, "obwohl die Steuer- und Abgabenpolitik für diese Personengruppe die größten Entlastungen vorgesehen hatte", ätzt die Pariser Organisation.

Dass die Familien bei den Abgaben die schlechteste Entwicklung nahmen, begründet die OECD einerseits mit der kalten Progression, andererseits mit dem Umstand, dass Transferleistungen nicht an die Lohnentwicklung angepasst wurden. Ein Beispiel: Machten die Zuschüsse an Alleinerziehende 2000 noch 11,6 Prozent aus, waren es zuletzt nur noch 7,4 Prozent des Einkommens.

Spitzenverdiener im Vorteil

Während die Durchschnittsverdiener also massiv zur Kasse gebeten wurden, schlägt die Steuerkeule im Top-Segment weniger stark zu. Im Bereich von 50.000 Euro brutto im Jahr wuchs die Abgabenlast nur noch um 0,4 Prozentpunkte. Die OECD weist auch darauf hin, dass Spitzenverdiener hierzulande "moderat" besteuert werden, was vor allem auf die Deckelung der Sozialbeiträge und die Begünstigung beim 13. und 14. Gehalt zurückzuführen ist. Wer rund 53.000 Euro im Jahr verdient, muss 51,8 Prozent abliefern, jenseits der 80.000 Euro sind es noch 49,3 Prozent. In anderen Hochsteuerländern wie Frankreich, Deutschland oder Belgien liegt der Satz zum Teil deutlich darüber.

Der Anstieg der Steuerbelastung in den vergangenen Jahren ist für OECD-Sprecher Matthias Rumpf in Österreich "systemimmanent", weil die Steuertarife nicht automatisch an Inflation oder Einkommensentwicklung angepasst werden. "Wenn man ein progressives Steuersystem hat und die Anpassung nicht durchführt, dann ist die Zunahme der Steuerlast im System eingebaut", sagte Rumpf. Im OECD-Vergleich ist Österreich mit seinen starren Einkommensgrenzen bei der Lohnsteuer in der Minderheit. Während die Steuertarife hierzulande nur bei den alle paar Jahre durchgeführten "Steuerreformen" an die Inflation angepasst werden und in den Jahren dazwischen die Kalte Progression zusätzliches Geld in die Staatskasse spült, führen 17 der 30 Länder automatische Inflationsanpassungen durch. Unter anderem sind das auch Belgien, Frankreich und Ungarn mit ihren hohen Lohnsteuertarifen, nicht aber Deutschland.

Auch die Familienleistungen werden in 16 der 30 verglichenen OECD-Staaten automatisch valorisiert, während der Kaufkraftverlust von Kindergeld und Co. in Österreich allenfalls punktuell ausgeglichen wird. Automatisch an die Inflation angepasst werden in Österreich immerhin - wie in den meisten anderen OECD-Staaten auch - die sonstigen Sozialleistungen.

Angesichts der relativ hohen Arbeitskosten empfiehlt Rumpf Österreich eine Senkung der Abgabenbelastung für die Bezieher niedriger Einkommen. Diese seien nämlich in der Regel schlechter qualifiziert und hätten es daher schwerer, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. "Wenn man diese Leute in Arbeit bringen will, dann kann man nicht erwarten, dass die Unternehmen bereit sind, mehr zu zahlen, zumal, weil es ja auch die Konkurrenz mit den osteuropäischen Ländern gibt."

Die Entlastung der Einkommen und der Zeitpunkt einer nächsten Reform ist derzeit einer der Zankäpfel in der Regierungskoalition - siehe Artikel unten. (as, APA, szem, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.03.2008)